In den kommenden Wochen wird der Verfassungsgerichtshof (VfGH) während seiner Herbstsession unter anderem die Kontrolle der Bestellung von ORF-Organen, Fragen zur akademischen Freiheit im Zusammenhang mit der kontroversen Islam-Landkarte der Universität Wien beraten. Auch Abschiebungen von Syrern stehen auf der Tagesordnung.
Der VfGH beschäftigt sich auch mit einer gegen Peter Goldgruber, den ehemaligen Generalsekretär des Innenministeriums, verhängte Beugestrafe im Untersuchungsausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" beraten. Die Strafe im U-Ausschuss war von Goldgruber extra provoziert worden, um über diese Hintertür die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsgegenstandes im Ausschuss überprüfen zu lassen. Er hatte deshalb bei seiner Befragung generell die Aussage verweigert und argumentiert nun, dass es "denkunmöglich" sei, für eine Entschlagung bei Fragen zu einem nicht verfassungskonformen Untersuchungsgegenstand belangt zu werden.
VfGH berät über ORF und Islam-Landkarte
In Sachen ORF steht eine Beschwerde des Presseclubs Concordia auf der Tagesordnung. Dieser hatte bei der KommAustria beantragt, mehrere Verstöße gegen das ORF-Gesetz festzustellen. Einerseits habe die Medienministerin Personen als Publikumsräte des ORF bestellt, die die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllten. Diese wiederum hätten an der Bestellung von Stiftungsräten mitgewirkt, die deshalb ebenfalls gegen das ORF-Gesetz verstoße. Auch der Stiftungsrat-Vorsitzende sei rechtswidrig bestellt worden - einerseits wegen der Teilnahme der obigen Stiftungsräte als auch solcher, die den Unabhängigkeits-Anforderungen nicht entsprächen. Die KommAustria sah sich dafür aber nicht zuständig, genau so sah dies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Der Presseclub Concordia ist dagegen der Ansicht, dass die KommAustria jede Verletzung des ORF-Gesetzes wahrzunehmen habe.
Die Uni Wien wiederum sieht durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) zur sogenannten Islam-Landkarte das Recht auf Freiheit der Wissenschaft und Meinungsäußerung verletzt. Dabei wurden für ein Forschungsprojekt auf einer digitalen, interaktiven Österreichkarte die Standorte muslimischer Einrichtungen markiert. Außerdem konnten per Mausklick Infos über die jeweilige Einrichtung angezeigt werden, etwa eine Kurzbeschreibung, ihre Adresse und ihre Zahl im Zentralen Vereinsregister (ZVR-Zahl). Nach einer Beschwerde von Vereinen bzw. Privatpersonen sah das BVwG das Recht auf Geheimhaltung verletzt - bei einigen Vereinsanschriften handle es sich nämlich um sonst nicht zugängliche Privatadressen natürlicher Personen. Um das Ziel des Forschungsprojekts zu erreichen, hätte es laut BVwG auch gereicht, das jeweilige Bundesland anzugeben. Die Uni Wien argumentiert nun damit, dass die veröffentlichten Daten aus Vereinsregistern und anderen öffentlichen Quellen stammen und allgemein verfügbar seien. Außerdem sei die Veröffentlichung gerechtfertigt, weil sonst der Zweck des Forschungsprojektes nicht erreicht werden könne.
Öffentliche Verhandlung des VfGH zu Sterbehilfe am 19. September
Erneut wird auch über das Thema Asyl beraten. Diesmal steht unter anderem der Fall eines Syrers auf der Tagesordnung, dessen Asylantrag mit der Begründung abgewiesen wurde, dass sich die Sicherheitslage in der Herkunftsregion des Betroffenen (Damaskus) wesentlich verbessert habe. Ebenfalls Thema ist die Beschwerde einer Syrerin, deren Asylantrag mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass sie bereits in Bulgarien des Status einer subsidiär Schutzberechtigten erhalten hat.
Schließlich werden auch erneut Grenzkontrollen zu Slowenien in den Jahren 2021 und 2022 Thema der Verfassungsrichter sein. Der Beschwerdeführer passierte im Dezember 2021 die Grenzübergangsstelle Grablach/Grablje mit seinem Pkw, ohne anzuhalten und sich der Grenzkontrolle zu stellen. Dementsprechend wurde er zu einer Geldbuße verdonnert. Der Mann hält diese aber für verfassungswidrig, da die Einführung und Verlängerung von Grenzkontrollen im Schengenraum nur dann zulässig sei, wenn jeweils eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit vorliege, die eine solche Maßnahme rechtfertige. Dies sei damals nicht der Fall gewesen.
Am 19. September befasst sich der VfGH in einer öffentlichen Verhandlung erneut mit Sterbehilfe. Ein Verein und vier Personen, darunter zwei Schwerkranke und ein Arzt, halten das Sterbeverfügungsgesetz sowie das 2022 geänderte Strafgesetzbuch betreffend "Mitwirkung an der Selbsttötung" für verfassungswidrig und haben daher die Aufhebung mehrerer Bestimmungen beantragt.