Die SPÖ erlebt schwierige Zeiten nach Jahren in der Opposition und einem starken Verlangen nach Regierungsbeteiligung, das jedoch die fortwährenden internen Konflikte nicht zu lösen vermag. Die Partei kämpft mit schwachen Umfragewerten und einem historisch schlechten Abschneiden bei der EU-Wahl, was das Vertrauen in den relativ neuen Parteivorsitzenden nicht gefördert hat.
Andreas Babler wird es von seiner Partei ebenfalls nicht leicht gemacht. Kaum sind die bemerkenswerte Stimmauszählungspanne um den Parteivorsitz und der Skandal um Wiener Schrebergärten etwas in den Hintergrund getreten, taucht plötzlich der Skandal um das Linzer Brucknerhaus mit Bürgermeister Klaus Luger auf und als ob das noch nicht genug wäre, kritisiert Doris Bures (SPÖ), eine der führenden Persönlichkeiten der Partei, auch noch den Entwurf für das Wahlprogramm. Sollte die Wahl schiefgehen, hätte Babler zumindest einige gute Ausreden parat.
Pfeifkonzert gegen Faymann verfolgt SPÖ bis heute
Die SPÖ ist von ihrem Selbstverständnis her eine Regierungspartei, eigentlich sogar eine Kanzlerpartei. Das hängt viel mit der Ära Bruno Kreisky zusammen, die sich über Fred Sinowatz, Franz Vranitzky bis zu Viktor Klima weiterzog und für eine ganze Generation alles andere als einen roten Regierungschef undenkbar erscheinen ließ. Die Zäsur erfolgte mit der Jahrtausendwende, als Wolfgang Schüssel den Tabubruch Schwarz-Blau wagte. Seither ist es nicht mehr die SPÖ, die in der Regierung festgeklebt scheint sondern die sich in alle Richtungen die Türen offen haltende Volkspartei.
Eigentlich schon ab da lief es bei den Sozialdemokraten nicht mehr so rund wie davor, als man sich noch allerlei Skandale von Lucona bis Noricum leisten konnte und dennoch nicht von der Macht verdrängt wurde. Immerhin eroberte man das Kanzleramt zwischenzeitlich zurück, wo vor allem der stets ein wenig unterschätzte Werner Faymann Österreich im Nachhinein gesehen durchaus erfolgreich durch die Finanzkrise lotste. Genau der Fall dieses Werner Faymann ist es aber, der die SPÖ bis heute verfolgt. Das Pfeifkonzert gegen den damaligen Kanzler und Parteichef am 1. Mai 2016 gilt in weiten Teilen der Partei als historischer Sündenfall. Diese Wunde ist bis heute nicht vernarbt, dafür sind persönliche Verletzungen unterschiedlicher Art mittlerweile hinzu gekommen.
Kaum große inhaltliche Differenzen innerhalb der SPÖ
Lager gab es in der SPÖ immer schon, doch riss man sich in entscheidenden Momenten so weit zusammen, dass der Erfolg des Großen und Ganzen nicht gefährdet wurde. Mittlerweile gibt es kaum noch jemanden in Spitzenpositionen, der das Parteiwohl über jenes des eigenen Flügels oder der eigenen Person stellt. Der integere Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser wirkte manchmal fast wie Don Quixote, wenn er versuchte, die diversen Interessensgruppen der Partei zur Vernunft zu bringen.
Dabei trennt die SPÖ inhaltlich längst gar nicht mehr so viel. Der Entwurf zum aktuellen Wahlprogramm unterscheidet sich in der Asylpolitik, die jahrelang als parteiinterner Reibebaum zwischen links und rechts diente, kaum mehr von jenem der Volkspartei. In der Sozialpolitik tickt man quer durch die Partei ohnehin ähnlich und die wenigen Unterschiede werden in erster Linie hoch gehalten, um sich von den anderen Flügeln abzugrenzen. Der von der peinlichen Auszählungspanne überschattete Kampfparteitag zwischen Hans Peter Doskozil und Andreas Babler wirkt aus heutiger Sicht gar nicht mehr so wirklich wie eine inhaltliche Richtungsentscheidung.
Wiener SPÖ und Gewerkschaft lange Taktgeberin
Dass es dennoch ständig kracht, hängt auch damit zusammen, dass es seit langem keine echte Autorität mehr in der Partei gibt. Die Wiener SPÖ galt mit der Gewerkschaft so lange gemeinsam als Taktgeberin der Bundespartei, bis es den Ländern für einmal langte und sie antraten, mit Christian Kern einen Parteichef gegen den Willen des großen Machtblocks durchzudrücken. Auch wenn man Pamela Rendi-Wagner später quasi adoptierte und Babler zähneknirschend gegen Doskozil unterstützte, stammt seit Faymann kein Parteichef mehr aus dem Umfeld der Hauptstadt-Roten.
Dazu kommt, dass weder Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der seine feine Machttechnik auf die Bundeshauptstadt konzentriert, noch die Gewerkschafter logische Parteichefs aufgebaut haben. Gleiches könnte man über Kaiser sagen und Doskozil hat letztlich zu lange polarisiert, um eine breite Basis zu finden, auch wenn er beim Wähler potenziell durchaus Erfolgschancen gehabt hätte.
Nationalratswahl als Chance für Andreas Babler
So kam dann mit Babler der Bürgermeister einer Kleinstadt zum Zug, der bundespolitisch bis dahin in erster Linie mit Zwischenrufen aus Traiskirchen aufgefallen war. Der erfolgreiche Gemeindechef hat mit seinem durchaus populistischen Linkskurs zwar Teile der Basis hinter sich, was nie schaden kann, doch fehlt ihm jeglicher Rückhalt der einflussreichen Teilorganisationen. Wenn man ein bis zwei Landesparteien als ihm gegenüber loyal bezeichnen kann, ist das schon viel. Deutlich öfter ist spöttisch von der "Babler-Sekte" die Rede, um den eher kleinen Kreis um den Vorsitzenden zu beschreiben.
Bablers erste und wohl einzige Chance ist, bei der kommenden Nationalratswahl gegen alle Erwartungen einen Erfolg einzufahren oder die SPÖ zumindest in eine Regierung zu bringen und sich von dort aus ein stärkeres Standing zu erarbeiten. Ansonsten werden sich die Sozialdemokraten wohl weiter in die Wolle kriegen und auf Perspektive nur in ihren Hochburgen gestalten können. In Wien und im Burgenland, wo kommendes Jahr gewählt wird, scheint Platz eins gut abgesichert. Dazu verfügt man noch in Kärnten über den Landeshauptmann-Sessel und nicht nur in Wien sondern auch in St. Pölten und Salzburg über das Bürgermeister-Amt. Ob das in Linz nach Luger-Skandal und Neuwahl auch weiter so sein wird, ist alles andere als gewiss.