Die Bundesregierung hat offenbar eine Einigung über die breit debattierte Sicherheitspolitik erreicht.
Ein letzter Entwurf zur Sicherheitsstrategie von 57 Seiten, der der APA vorliegt und über den ebenfalls das Magazin "profil" informierte, plant eine verstärkte Kooperation mit der NATO sowie den Verzicht auf russisches Erdgas. Die Strategie könnte offiziell schon am Mittwoch durch einen Umlaufbeschluss beschlossen werden.
Sicherheitsstrategie: Österreichs Verteidigungsfähigkeit soll gestärkt werden
Das Dokument beginnt mit dem nun zweieinhalb Jahren andauernden Krieg in der Ukraine, und stellt klar, dass von Russland auch für Europa Gefahr ausgehe. So heißt es darin etwa: "Das Verhältnis zwischen der EU und Russland hat sich seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine fundamental geändert" oder "Im Rahmen seiner hybriden Kriegsführung wird Russland Europa weiterhin auch militärisch bedrohen, mit unterschiedlichen Mitteln herausfordern und versuchen, die Europäische Union und ihr Umfeld zu destabilisieren." Für die Autoren ist klar, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind: Der Ukrainekrieg verdeutliche, dass "Österreichs Verteidigungsfähigkeit und Resilienz in allen sicherheitspolitischen Handlungsfeldern auf nationaler Ebene im Einklang mit der EU erhöht werden muss".
"Aktive Neutralitätspolitik und europäische Solidarität"
Heiß diskutiert ist spätestens seit Februar 2022 auch die Österreichische Neutralität. "Militärisch neutral zu sein, bedeutet nicht, gleichgültig zu sein, wenn Völkerrecht gebrochen wird und die Souveränität, die territoriale Integrität oder die Unabhängigkeit eines Staates angegriffen wird", heißt es dazu im Kapitel "aktive Neutralitätspolitik und europäische Solidarität". Als neutraler Staat darf die Republik keinem Militärbündnis angehören, eine Zusammenarbeit mit der NATO ist aber erlaubt. Etwa bei Auslandsmissionen ist das auch der Fall, und soll künftig auch ausgebaut werden. "Es ist wesentlich, dass wir die Kooperationsmöglichkeiten mit der NATO in den Bereichen Konfliktprävention, Krisenmanagement und kooperative Sicherheit sowie im Interesse der Stärkung der Interoperabilität unserer militärischen Kapazitäten ausschöpfen", heißt es dazu. Auch die gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern im Rahmen der EU wird unterstützt.
Sicherheitsstrategie mit Ausstieg aus russischem Gas bis 2027
Wie bereits bekannt, einigten sich ÖVP und Grüne auf Drängen Letzterer auf das Bekenntnis, bis 2027 aus russischen Erdgaslieferungen auszusteigen. Auch Gasheizungen in Wohnungen sollen bald Geschichte sein: "Im Bereich der Raumwärme sollte aus Gründen der Versorgungssicherheit der Einsatz von gasförmigen Energieträgern so rasch wie möglich reduziert werden." Darüber hinaus sollen "zur Unterstützung der gesamtstaatlichen Lagebeurteilung" Nachrichtendienste im Rahmen der militärischen Landesverteidigung "personell, materiell und legistisch an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden". China sei "gleichzeitig Partner, Konkurrent und systemischer Rivale" heißt es weiter. Regionale Konflikte, wie der Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 hätten zudem das Potenzial auszustrahlen und könnten "tiefgreifende Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie die Sicherheit in Österreich und Europa" haben. Einen Punkt widmen die Regierungsparteien auch dem "menschengemachten Klimawandel und den damit verbunden Auswirkungen". Klimaschutz sei wesentlich für anhaltenden Frieden, die langfristige Versorgungssicherheit sowie wirtschaftliche und soziale Resilienz, heißt es etwa. Und weiters: "Um Klimarisiken einzudämmen, sind die ursächliche Bekämpfung des Klimawandels und die Klimaneutralität von oberster Priorität."
Derzeitige Sicherheitsstrategie noch aus dem Jahr 2013
Verhandelt wird über die Sicherheitsstrategie zwischen ÖVP und Grünen schon lange. Erneuert werden muss die Sicherheitsdoktrin unter anderem deshalb, weil Russland in der derzeit gültigen Version noch als strategischer Partner genannt wird. Bewegung in den Verhandlungen ist zuletzt bereits erwartet worden, nachdem die Grünen der Nominierung von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) als neuer EU-Kommissar letztlich zugestimmt hatten. Anfang August einigte man sich schließlich auf das lange umstrittene Energiekapitel, damit war davon auszugehen, dass auch der Rest der Strategie bald zu erwarten sei. Änderungen des aktuellen Entwurfes sind zwar noch möglich, aber unwahrscheinlich. Die derzeitige Strategie wurde 2013 mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und dem Team Stronach abgesegnet.