In der hitzigen Debatte um die Sozialhilfe stehen sich der Kanzler und die SPÖ gegenüber: Während Nehammer eine Verringerung fordert und Großfamilien in der Kritik sieht, verteidigt die SPÖ ihr Modell gegen Kinderarmut, das höhere Sozialleistungen vorsieht.
Die Höhe der Sozialhilfe erhitzt weiter die Gemüter. Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer empörte sich am Mittwoch darüber, dass das rote Modell gegen Kinderarmut noch mehr Geld für Großfamilien bedeuten würde - dies "verhöhnt alle, die täglich zur Arbeit gehen". SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder konterte, hier würden "Äpfel mit Birnen verglichen", kolportierte Brechenungen seien "unseriös".
Migranten-Familie in Wien erhält 4.600 Euro Sozialhilfe pro Monat
Wieder entzündet hatte sich die Debatte zuletzt am Beispiel einer neunköpfigen Wiener Migranten-Familie, die auf Sozialhilfe angewiesen ist und inklusive Mietbeihilfe 4.600 Euro monatlich bekommt. Mit dem Modell von SPÖ-Chef Andreas Babler, meinte die "Kronen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe), würde diese Familie sogar 6.800 Euro kriegen.
Dies rief ÖVP-Chef Nehammer auf den Plan: "Das SPÖ-Modell ist ein Angriff auf alle, die täglich aufstehen und zur Arbeit gehen. Es verhöhnt jene, die mit ihren Steuern unser soziales Netz finanzieren", meinte er in einer Aussendung. Das rote Modell sei "schlicht unfair gegenüber denen, die es finanzieren", meinte er. "Eine derartige Maßlosigkeit im Sozialsystem wird es mit mir als Kanzler nicht geben", warb Nehammer, stattdessen sei eine fünfjährige Wartefrist notwendig, bevor man Sozialhilfe bekomme. Es sollten auch nur jene den vollen Anspruch auf Sozialleistungen haben, die zuvor auch in das österreichische Sozialsystem eingezahlt haben, bekräftigte er.
Kanzler-Kritik an Modell gegen Kinderarmut - SPÖ wehrt sich
Bei der Summe im aktuell diskutierten Beispiel verstehe sie zwar, dass alle, die arbeiten, das als ungerecht sehen, gestand SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Breiteneder am Rande einer Pressekonferenz zu. In der Debatte würden nun aber "Äpfel mit Birnen verglichen", denn das SPÖ-Modell für eine Kindergrundsicherung beinhalte auch viele Sachleistungen wie kostenlosen Kindergarten ab einem Jahr oder gratis Schulessen. "Unser Modell ist viel umfassender", betonte sie, "das kann man so nicht vergleichen". Die veröffentlichten Berechnungen seien "unseriös", betonte Breiteneder. Man wolle sich nicht auf eine Zahl festnageln lassen, meinte sie auf Nachfrage.
Auf "Extrembeispielen" Debatten zu starten sei "nicht seriös". Der SPÖ gehe es darum, dass Kinder nicht in Armut leben müssen und stattdessen durch Bildung zu künftigen Steuerzahlern werden. Verantwortlich für die "verfehlte Integrationspolitik" seien im Übrigen die Innenminister der vergangenen Jahre - meist von der ÖVP gestellt, konterte Breiteneder.
FPÖ-Chef findet Streit peinlich
"Hier streiten zwei Blinde über Farben", kommentierte FPÖ-Chef Herbert Kickl die Debatte. "Die finanziellen Auswüchse in Wien und auch die damit einhergehende Eskalation im Bereich der Sicherheitslage sind das Ergebnis einer Co-Produktion einer irrlichternden SPÖ-geführten Wiener Landesregierung und einer durchsetzungsschwachen ÖVP-geführten Bundesregierung." SPÖ und ÖVP versuchten, die Verantwortung dem jeweils anderen in die Schuhe zu schieben - "das ist mehr als peinlich", findet Kickl. Besonders "billig" sei das Verhalten des Bundeskanzlers: "Nehammer macht es sich besonders einfach. Er ist zwar Kanzler, aber für nichts zuständig."
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte Verständnis, dass sich arbeitende Menschen über solche Summen zurecht wundern können. Die Sache sei aber rechtens und vor allem seien auch ÖVP und FPÖ mit im Boot, da sie das ursprüngliche Sozialhilfesystem zerschlagen und so den "österreichweiten Fleckerteppich" verusacht hätten. Es brauche mehr Sachleistungen und Anreize für Arbeit, die sich lohnen müsse.
Wiener Stadtrat sieht Problem beim AMS
Das Thema Sozialhilfe soll auch Thema bei der nächsten Landeshauptleute-Konferenz sein, wie Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) im "Ö1"-Mittagsjournal am Mittwoch erklärte. In Bezug auf eine bundesweite Vereinheitlichung der Sozialhilfe, wie sie zuletzt Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) gefordert hatte, zeigte sich Haslauer aber skeptisch. "Man kann über alles diskutieren, wichtig ist nur, dass regionale Unterschiede berücksichtigt werden", sagte er und verwies auf die höheren Lebenskosten in Städten wie Innsbruck oder Salzburg.
Der Wiener Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) sieht einen Teil es Problems auch bei der Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsmarktservice (AMS). "Das Kernproblem ist, das AMS funktioniert nicht. Und ich bin es auch leid, von dort Zurufe zu hören", sagte Hacker der "Krone" (Mittwoch). "Jeder Wirtschaftsbetrieb erzählt mir, die Arbeitslosen kommen nur den Stempel holen", kritisierte Hacker.