Laut dem KFV-Rechtsexperten Armin Kaltenegger müssen die Fälle und vor allem deren Umstände aber individuell betrachtet werden.
Laut dem KFV-Rechtsexperten Armin Kaltenegger müssen die Fälle und vor allem deren Umstände aber individuell betrachtet werden.
Eine generelle Auskunft bezüglich Rechtsfragen zur Aufsichtspflicht kann ohne exakte Kenntnis aller Gegebenheiten - wie etwa das genaue Alter des Kindes, dessen individuelle Entwicklung und Vorerfahrungen sowie Umgebungsvariablen - schwer gemacht werden. Aber grundsätzlich gilt, dass die Eltern die Aufsichtspflicht für ihr Kind haben und diese besteht bis zur Volljährigkeit, also bis zum 18. Lebensjahr. Allerdings nimmt die Aufsichtspflicht mit steigendem Alter ab. Doch auch hier betonte Kaltenegger, dass es keine fixen Altersgrenzen gibt und es auf den Einzelfall ankomme. Denn eine Rolle spielt hier auch die individuelle Reife des Kindes.
Ganz grundsätzlich gelte, dass Kleinkinder eine umfassende Betreuung benötigen, erklärte Kaltenegger. Kindergartenkinder sollten in Sichtweite bzw. je nach Situation in Griffweite beaufsichtigt werden. Für Vorschulkinder gibt es eine Kontrollverpflichtung in kurzen Abständen. Ab dem Schulalter ist auch ein kurzfristiges Alleinbleiben tagsüber möglich, erklärte der Rechtsexperte, da diese Kinder oft schon den Schulweg alleine zurücklegen müssen und hier eine gewisse Selbstständigkeit erlangt haben. Wenn ein Kind draußen spielt, muss die Aufsichtsperson wissen, wo es sich aufhält. Neben der Reife des Kindes spielt aber auch die Lebenserfahrung eine Rolle. Ein Kind am Land wird sich ab einem gewissen Alter beim Spielen auch in etwas größerer Entfernung vom Elternhaus ohne ständige Beaufsichtigung aufhalten können.
Aufsichtspflicht betrifft aber nicht nur die Eltern, sondern jede Person, die mit der Aufsicht des Kindes oder der Kinder betraut wird - wie etwa Bekannte, Verwandte oder Babysitter. Dadurch sollen weder das Kind noch Dritte zu Schaden kommen. Laut Kaltenegger kann die Aufsichtspflicht ausdrücklich oder stillschweigend übernommen werden. "Das kommt sehr oft vor", sagte der Rechtsexperte. Es gebe keinerlei Formerfordernisse. Ein Einverständnis der abwesenden Eltern ist für die Aufsichtspflicht im Wesentlichen ohne Bedeutung, entsteht die Aufsichtspflicht doch mit der faktischen Einbeziehung der Kinder in die eigene Aufsicht. Wer beispielsweise den Freund des Sohnes mitnimmt, ist aufsichtspflichtig, unabhängig davon, ob dessen Eltern es wissen oder nicht.
Allerdings haften die Eltern dann, wenn sie jemand offensichtlich Ungeeigneten mit der Aufsicht betraut haben. "Etwa der Siebenjährige, der auf den sechsjährigen Bruder aufpassen soll, wo Sie genau wissen, der spielt sofort weiter und kümmert sich überhaupt nicht. Oder ein Babysitter, wo Sie wissen, der ist total verliebt und hängt die ganze Zeit nur am Handy", so Kaltenegger. "Das nennt man Auswahlverschulden." Der Rechtsexperte betonte auch, dass "das Gesetz keine fixen Altersgrenzen beim Babysitten vorsieht". Kaltenegger. "Die gibt es einfach nicht."
Die häufigsten Folgen, wenn die Aufsichtspflicht verletzt wird und dem Kind etwas passiert, sind zivilrechtlicher Natur. "Das Kind hat gegen den Aufsichtspflichtigen, der die Aufsicht verletzt hat, einen Schadenersatzanspruch." Das können Heilungskosten, Invaliditätskosten und im schlimmsten Fall beim Tod des Kindes Trauerschmerzengeld oder Begräbniskosten sein. Arbeitsrechtliche Konsequenzen können dann auftreten, wenn etwa ein Kindergärtner oder eine Kindergärtnerin seine oder ihre Aufsichtspflicht verletzt hat. Strafrechtliche Folgen können ebenfalls auftreten, wenn ein Kind verletzt oder getötet wird, hier kommen Delikte wie etwa fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung zum Tragen. "Wobei hier Gerichte eher dazu tendieren, bei tragischen Fällen, wo Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, keine sehr hohen Strafen zu verhängen, weil spezialpräventiv der Elternteil durch tiefe Trauer schon genug gestraft ist", sagte Kaltenegger.
"In Österreich passieren viel zu viele Kinderunfälle", sagte der Experte. 2023 waren es 116.000 Unfälle, wo Kinder so schwer verletzt werden, dass sie im Spital behandelt werden mussten. Das seien um sechs Prozent mehr als im Jahr 2022. "Dieser Anstieg ist schon seit 2020 bemerkbar." Die meisten Unfälle passieren zuhause.
(APA/Red)