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EuGH hält Wolfsjagd-Verbot in Österreich aufrecht

11-07-2024, 10:45

Der Wolf darf in Österreich weiter nicht gejagt werden, urteilte am Donnerstag der Europäische Gerichtshof (EuGH).

"Eine Ausnahme von diesem Verbot zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden kann nur gewährt werden, wenn sich die Wolfspopulation in einem günstigen Erhaltungszustand befindet, was in Österreich nicht der Fall ist", heißt es. In Tirol sah man "keine unmittelbaren Auswirkungen", man werde weiter Problemwölfe abschießen.

Wolf zum Abschuss freigegeben - Beschwerde von Tierschutzorganisationen

Tierschutzorganisationen hatten Beschwerde eingelegt, nachdem die Tiroler Landesregierung 2022 einen Wolf per Bescheid zum Abschuss freigab. Das Tiroler Landesverwaltungsgericht (LVwG) hatte daraufhin den EuGH um eine Auslegung des EU-Rechts in dieser Frage gebeten.

Die Richter in Luxemburg mussten unter anderem die Frage beantworten, ob es dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht, dass Wölfe in einigen europäischen Ländern vom strengen Schutzregime der Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie ausgenommen sind, in Österreich aber nicht. Nein, lautet die Antwort: Österreich habe bei seinem Beitritt in die Europäische Union 1995 anders als andere Staaten keine Vorbehalte gegen den hohen Schutzstatus beim Wolf angemeldet.

"Soweit die österreichische Regierung davon ausgeht, dass der Unionsgesetzgeber infolge der Entwicklung der Wolfspopulation in Österreich inzwischen den strengen Schutz der Wölfe hätte aufheben müssen, steht es ihr im Grunde frei, eine Untätigkeitsklage einzureichen, was sie bis dato nicht getan hat", fasst der EuGH die Argumentation der Richter in der Aussendung zusammen.

Einen Wolf auch unter der aktuellen Rechtslage zum Abschuss freizugeben, geht nur, wenn die Wolfspopulation sich in einem guten Erhaltungszustand befindet und die Jagd diesen nicht gefährdet - und zwar sowohl mit Blick auf Tirol, Österreich und auf das grenzüberschreitende Verbreitungsgebiet. Zudem müssen vor einem Abschuss auch andere Lösungen, wie zum Beispiel Almschutzmaßnahmen in Betracht gezogen werden.

Tiroler Landesregierung zeigt sich gelassen

Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ zeigte sich in einer Reaktion auf die Entscheidung gelassen. Diese habe "keine unmittelbaren Auswirkungen auf Tirol, bringt aber leider auch keine Erleichterungen", teilte der zuständige Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) mit. Die Abschussverordnungen hätten sich bewährt, "und diesen Weg werden wir konsequent weitergehen". Tirol erfüllt mit aktueller Rechtslage europarechtliche Anforderungen, spielte Geisler darauf an, dass die Raubtiere im Bundesland mittlerweile nicht mehr per Bescheid, sondern nach Verordnungen abgeschossen werden. "Unter Anlegung eines strengen Prüfmaßstabes können wir weiterhin Schad- und Risikowölfe entnehmen", betonte Geisler.

Die nunmehrigen Verordnungen seien "Einzelfallentscheidungen, die auf sauberen Rechtsgrundlagen und Fachgutachten basieren und die Besonderheiten unserer Almwirtschaft berücksichtigen". Rechtsexperten des Landes würden die EuGH-Entscheidung indes nun einer Detailanalyse unterziehen. Gleichzeitig forderte Geisler indes einmal mehr eine Senkung des Schutzstatus des Wolfs sowie eine dahin gehende Änderung der FFH-Richtlinie: "Der Wolf ist nicht vom Aussterben bedroht und gehört reguliert wie jedes andere Wildtier auch."

Von einem faktischen Abschussverbot sprach indes der Europarechtsexperte Walter Obwexer. "Ich gehe davon aus, dass die Verordnungen für die Entnahme von Problemwölfen in Tirol so nicht aufrechterhalten werden können", wurde Obwexer von der "Tiroler Tageszeitung" (Online-Ausgabe) zitiert. Tirol hatte erwartet, dass man den guten Erhaltungszustand vielleicht generell auf den Alpenbogen aufweicht. "Aber es wird sogar auf Tirol heruntergebrochen, wo der Erhaltungszustand eben schlecht ist", sagte Obwexer. Dass für Abschüsse der Erhaltungszustand sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene günstig sein müsse und bei Vorhandensein dieser Faktoren ein solcher grenzüberschreitend zu prüfen sei, komme einem faktischen Abschussverbot gleich.

Totschnig blieb auf bisheriger Wolfs-Linie

Auch ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig blieb indes auf bisheriger Wolfs-Linie. "Fakt ist, der Wolf ist mit über 20.000 Individuen in Europa nicht mehr vom Aussterben bedroht. Zudem verliert das Großraubtier zunehmend die Scheu vor dem Menschen", erklärte der Minister in einer Aussendung. Immer häufiger gebe es Wolfssichtungen in Siedlungsgebieten. Man dürfe "nicht zulassen, dass es zu einem Wolfs-Angriff auf einen Menschen kommt". Genau deshalb werde er weiterhin auf EU-Ebene dafür kämpfen, dass der Schutzstatus gesenkt wird: "Der Wolf ist keine gefährdete Tierart mehr und gehört reguliert, wie jede andere Wildart auch."

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) kannte das Urteil am Donnerstagvormittag noch nicht. "Wir haben derzeit eine bestehende Rechtslage", betonte sie aber auf Nachfrage am Rande einer Pressekonferenz. Diese ermögliche schon jetzt den Abschuss von einzelnen Tieren, wenn sie nach rechtlich definierten Kriterien Probleme verursachen, erläuterte Gewessler. "Ich hoffe, das Urteil führt jetzt auch wieder zu einer Versachlichung der Debatte. Wer den Landwirtinnen und Landwirten tatsächlich helfen will, sollte sich um diese Sachlichkeit bemühen." Es brauche entsprechende Unterstützung beim Herdenschutz, "mit Förderungen, die auch wirklich einen Unterschied machen", forderte Gewessler. "Das Landwirtschaftsministerium hinkt da leider in Österreich hinterher", kritisierte sie.

Sowohl Gegner wie Befürworter der Wolfsentnahmen interpretierten das EuGH-Urteil jeweils im eigenen Sinne. Die Umweltschutzorganisationen WWF Österreich und Ökobüro freuten sich über das Urteil. "Das ist eine wichtige Klarstellung: Bei streng geschützten Arten wie dem Wolf gehen gelindere Mittel wie der Herdenschutz vor. Der Abschuss darf nur das letzte Mittel sein", wird WWF-Artenschutzexperte Christian Pichler in einer Aussendung zitiert.

Der Umweltjurist des Ökobüros, Gregor Schamschula, will sich angesichts des heutigen EuGH-Urteils auch die Verordnungen anschauen, mit denen Wolfsabschüsse geregelt werden. Schamschula kritisiert gegenüber der APA aber, dass in Österreich keine Möglichkeiten vorgesehen seien für Umweltorganisationen, um juristisch gegen diese Verordnungen vorzugehen. In dem Kontext läuft aktuell auch ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Österreich, da das Land damit gegen die Regeln der Aarhus Konvention verstoße.

Obwohl der EuGH die Wolfsjagd eigentlich weiter für verboten erklärte, sieht der Bauernbund dagegen das Vorgehen der Bundesländer beim Wolfmanagement durch den Urteilsspruch bestätigt und meint "auch der EuGH bestätigt nun, dass die Vorgangsweise, Problemwölfe zu entnehmen, richtig ist." Gleichzeitig sei die EU-Kommission gefordert, den Schutzstatus von Wölfen in Europa zu senken.

"Der EuGH hat Österreichs bzw. Tirols eingeschlagenen Weg des Wolfsmanagements somit erneut anerkannt. Damit müssen zukünftig auch NGOs wie der WWF anerkennen, dass Entnahmen unter gewissen Voraussetzungen rechtlich abgesichert sind und ihre ständigen Anzeigen keinen Erfolg bringen", wird auch Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger in einer Aussendung zitiert.

Kärntens Jagd- und Agrarreferent Landeshauptmannstellvertreter Martin Gruber (ÖVP) meinte: "Die Entscheidung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Wolfsmanagement in Kärnten, das auf einer Verordnung und einem Alm-und Weideschutzgesetz beruht. Die Voraussetzungen für eine Entnahme werden rechtlich und fachlich überprüft. Wir werden an unserer Praxis, die sich bewährt hat, festhalten, zum Schutz der Bevölkerung und der Alm- und Landwirtschaft." Dass trotz Schutzstatus Entnahmen von Wölfen in begründeten Fällen möglich sind, werde vom EuGH mit diesem Urteil nicht infrage gestellt.

"In Oberösterreich findet keine planmäßige Wolfsjagd statt"

Auch seine Amtskollegin aus Oberösterreich, Landesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP), hielt fest: "In Oberösterreich findet keine planmäßige Wolfsjagd statt, welche nach dem aktuellen EuGH-Urteil einen günstigen Erhaltungszustand voraussetzt." Damit sei das Vorgehen in ihrem Bundesland "rechtlich gedeckt und im Einklang mit dem jüngsten EuGH-Urteil". Die Wolfsmanagement-Verordnung löse Fälle, in denen es eine Handhabe gegen Risiko- und Schadwölfe brauche, meinte sie.

Laut dem "Österreichzentrum Bär-Wolf-Luchs" gab es heuer bisher sechs Wolfsentnahmen, vier davon in Kärnten und jeweils eine in Tirol und Salzburg. Im Jahr davor gab es 14 Wolfsentnahmen.

(APA/Red)

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