Der renovierte jüdische Friedhof in St. Pölten wurde am Freitag zur langfristigen Pflege der Stadt übergeben.
Die Sanierung des denkmalgeschützten Areals wurde vom Bund und dem Land Niederösterreich mit etwa 1,16 Millionen Euro unterstützt. Die Arbeiten am jüdischen Friedhof waren seit 2022 von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, der Besitzerin des Friedhofs, nach einer Vereinbarung mit der Stadt St. Pölten durchgeführt worden.
"Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden jüdische Friedhöfe systematisch zerstört und geschändet, als Teil einer breiteren Strategie der Auslöschung jüdischer Gemeinden. Der jüdischen Tradition entsprechend sind Grabstätten bis an das Ende der Tage gedacht. Umso bedeutender ist es für uns, dass der Friedhof nach Jahren des Verfalls wieder in einen würdigen Zustand gebracht werden konnte", so IKG-Präsident Oskar Deutsch. Dank des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe und der Unterstützung des Landes Niederösterreich ist es gelungen, an diesem Ort einen Teil unseres österreichisch-jüdischen Kulturerbes zu bewahren, zu sichern und wieder stärker ins Bewusstsein vieler Österreicherinnen und Österreicher zu rücken." Der Friedhofsfonds stellte Bundesmittel in Höhe von rund 880.000 Euro zur Verfügung, vom Land Niederösterreich kamen rund 280.000 Euro.
"In Erinnerung an die finsterste Zeit unserer Geschichte und die Verbrechen der NS-Schreckensherrschaft will unsere Stadt mit diesen Maßnahmen ihrer historischen Verantwortung gerecht werden", betonte der St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ). Im heurigen Kulturjahr setzte die Landeshauptstadt mit vielen Aktivitäten "eine umfangreiche Aufarbeitung der jüdischen Geschichte um". "In Niederösterreich gab es 15 israelitische Kultusgemeinden, so viele wie nirgendwo sonst in Österreich. "An diese große Vielfalt des jüdischen Lebens in unserem Bundesland erinnern - bis auf wenige Ausnahmen - heute nur mehr die Friedhöfe", sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie sehe es als "unsere große Verantwortung und Pflicht an, diese Erinnerung wachzuhalten".
"Seit Einrichtung des Fonds im Jahr 2010 konnten bereits 13 jüdische Friedhöfe in Österreich erfolgreich instand gesetzt werden", sagte der Vorsitzende des Kuratoriums des Nationalfonds und des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Mit dem dauerhaften Erhalt dieses kulturellen Erbes erfülle Österreich seine völkerrechtliche Verpflichtung gemäß dem Washingtoner Abkommen und setze ein klares Zeichen für eine verantwortungsvolle Gedenkkultur.
Der 1906 gegründete neue, neben dem kommunalen Friedhof an der Karlstettner Straße 3 gelegene jüdische Friedhof in St. Pölten diente der örtlichen jüdischen Gemeinde als Begräbnisstätte, nachdem der alte jüdische Friedhof am heutigen Pernerstorferplatz um 1904 aufgelassen worden war. Während des Nationalsozialismus erlitt der neue jüdische Friedhof schwere Schäden, viele Gräber und Grabsteine wurden zerstört.
1951 ließ die Stadt die noch vorhandenen Grabsteine wieder aufstellen. 1954 wurde der "arisierte" Friedhof an die IKG Wien als Rechtsnachfolgerin der IKG St. Pölten restituiert. Auf dem Friedhof findet sich auch ein Grabstein, der an die hier in einem Massengrab bestatteten 228 ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter erinnert, die im Mai 1945 von der SS in Hofamt Priel (Bezirk Melk) erschossen wurden. 2015 wurde mit Unterstützung des Nationalfonds ein Denkmal mit den Namen der Ermordeten errichtet. Insgesamt sind hier rund 340 Personen beerdigt, etwa 188 Grabsteine sind erhalten. Zuletzt wurde der im November 2023 verstorbene und als "letzter Jude von St. Pölten" bekannt gewordene Arzt Hans Morgenstern auf dem jüdischen Friedhof bestattet.