Die Naturschutzorganisation WWF Österreich warnt zum internationalen Tag des Luchses am 11. Juni vor einem erneuten lokalen Verschwinden der größten Katzenart Europas.
Zwar konnten die einst ausgerotteten Luchse hierzulande seit den 1970er-Jahren wiederangesiedelt werden. Allerdings sank ihre Zahl im letzten Jahr bedenklich. "Letztes Jahr lebten etwa 40 Luchse in Österreich. Heute geht man nur noch von maximal 35 Tieren aus”, erklärt die Biologin Magdalena Erich vom WWF. Die wenigen Luchse leben in kleinen, voneinander isolierten Beständen und können keine gesunde Population aufbauen. "Aufgrund der massiven Lebensraumzerschneidung findet kein Austausch zwischen den Beständen statt. Daher gibt es kaum Nachwuchs und genetische Verarmung durch Inzucht wird zu einem großen Problem.” Weitere Gefährdungen, wie etwa illegale Verfolgung, bedrohen die Bestände zusätzlich. Im schlimmsten Fall könnte der Luchs wieder gänzlich aus Österreich verschwinden.
Besonders besorgniserregend ist die Situation im Gebiet der Nördlichen Kalkalpen, wo der Bestand kaum mehr überlebensfähig ist. Der WWF ruft daher zu gemeinsamen Bemühungen aller beteiligten Interessengruppen auf, ein zukünftiges Bestandsstützungs-Projekt für den Luchs in den Nördlichen Kalkalpen voranzubringen, um das Überleben der streng geschützten Katzen dauerhaft zu sichern. Zudem braucht es mehr Anstrengungen im Kampf gegen Wildtierkriminalität und bessere Raumplanung. "Der Luchs übt großen Einfluss auf die Artenvielfalt im Ökosystem Wald aus”, erklärt Magdalena Erich vom WWF. "So sorgt er etwa als natürlicher Gegenspieler von Reh und Gämse für gesunde Populationen dieser Pflanzenfresser.”
Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass die Nördlichen Kalkalpen in den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark aufgrund ihres Waldreichtums und der relativ dünnen Besiedelung eines der am besten geeigneten Luchs-Habitate in ganz Mitteleuropa wären. Derzeit leben in dem 12.000 Quadratkilometer großen Untersuchungsgebiet der Studie jedoch lediglich sieben Luchse, fünf davon im Nationalpark Kalkalpen - zu wenige für eine überlebensfähige Population. Dabei bietet das Habitat der Studie zufolge Platz für 100 bis 250 Luchse. "Mit den entsprechenden Maßnahmen könnte das Gebiet eine Modellregion für den Luchs und ein wichtiges Bindeglied zu den Populationen in Slowenien, Italien und der Schweiz werden”, sagt WWF-Expertin Erich.
Eine überwältigende Mehrheit der Menschen in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark sehen den Luchs positiv (83 Prozent), sprechen sich für Bestandsstützungen aus (82 Prozent) und schätzen die seltene Katzenart als wichtigen Bestandteil des Ökosystems (75 Prozent). Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Online-Umfrage mit 940 Teilnehmenden (Schwankungsbreite +/- 3,26 Prozentpunkte), die im Rahmen des LE-Projektes "Aktionsplan Luchs in Österreich” durchgeführt wurde. Dennoch bestehen in Teilen der Bevölkerung Vorbehalte. So glaubt etwa ein Drittel der Befragten, dass es durch eine Bestandsstützung zu Konflikten kommen könnte und 20 Prozent geben an, dass sie Angst hätten, in einem Gebiet mit Luchsvorkommen zu wohnen. "Luchse leben meist unsichtbar und zurückgezogen in den Wäldern”, erklärt Magdalena Erich vom WWF. "Vor dem Luchs braucht daher niemand Angst zu haben. Dennoch nehmen wir die bestehenden Ängste ernst und arbeiten daran, durch Aufklärung und Information das Wissen über den Luchs zu erhöhen."
Das Projekt "Aktionsplan Luchs in Österreich” wird mit Unterstützung des Bundes und der Europäischen Union umgesetzt.