Die ORF-TVthek ist Geschichte: Mit 22. Mai löst die neue Streamingplattform ORF ON diese gänzlich ab.
Das neue Angebot, das bereits seit Anfang des Jahres als Testversion parallel zur TVthek betrieben wurde, wartet mit neuem Design, längeren Abrufzeiten, allen ORF-Sendern als Livestream, so mancher Sendung noch vor dem linearen Ausstrahlungstermin und in Zukunft auch Online-Only-Inhalten auf. ORF-Chef Roland Weißmann sieht darin eine neue "-Ära".
"Meilenstein": Streamingplattform ORF ON löst TVthek endgültig ab
"Auf Basis der neuen gesetzlichen Möglichkeiten haben wir eine innovative Public-Value-Plattform geschaffen, die Qualität und Content-Vielfalt vereint - ein wichtiger Schritt in der Transformation des ORF vom klassischen Broadcaster zur modernen Public Service Plattform", so der ORF-Generaldirektor. Als Leiterin von ORF ON agiert Eva Reiter-Kluger. Auch sie sieht im APA-Interview einen "Meilenstein in der ORF-Streaminggeschichte" gegeben. Durch die alten gesetzlichen Regelungen sei man sehr eingeschränkt gewesen. Vor allem an der 7-Tage-Abruffrist habe es immer wieder Kritik gegeben. "Deshalb glaube ich, dass die längere Bereitstellungsdauer mit den damit einhergehenden Kuratierungsmöglichkeiten die wichtigste Änderung ist", sagte sie.
Konkret darf der ORF viele Sendungen nun bis zu ein halbes Jahr lang abrufbar halten. Dokumentationen und das auf ORF ON integrierte Kinderprogramm "ORF KIDS" sind zeitlich unbegrenzt verfügbar. Seit 1. Jänner ist das Angebot auf ORF ON zusehends gewachsen. Zum regulären Start warte man nun mit einem "vielfältigen Programmpaket" auf, so Reiter-Kluger. Serien wie "Tage, die es nicht gab" und "Der Schwarm", Kultiges wie "Echt fett" und "Phettbergs Nette Leit Show" oder auch "Trautmann" und die "Löwinger Bühne" stehen neu bereit.
ORF-TV-Programm kann fast vollständig live gestreamt werden
Für Stirnrunzeln hat gesorgt, dass der ORF, um Serien wie "Vorstadtweiber" und "Kafka" durchgängig abrufbar halten zu können, diese jedes halbe Jahr erneut linear ausstrahlen muss. "Es ist geplant, möglichst viele unserer Premium-Produkte immer abrufbar zu halten. Aber es kann schon mal Monate geben, wo etwas nicht zur Verfügung steht", erklärte Reiter-Kluger. Denn man müsse mit Blick auf das "starke und wichtige" lineare ORF-Programm "mit sehr viel Feingefühl vorgehen". Man sei in enger Abstimmung mit Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz und den Channelmanagern.
Neu ist, dass das lineare ORF-TV-Programm nahezu vollständig live gestreamt werden kann. Eine "24-Stunden-Timeshift-Funktion" ermöglicht zeitversetztes Streamen und den Neustart von bereits begonnenen Sendungen.
Neu im Angebot: Online-First-Möglichkeit
Die neue auf maximal 24 Stunden im Voraus begrenzte Online-First-Möglichkeit sieht die ORF ON-Chefin mit einem lachenden und einem weinenden Auge."Unsere Kollegen in Deutschland dürfen da wesentlich mehr. Aber wir freuen uns auch so darüber und holen das Maximum heraus." Geplant sei u.a. eine eigene Online-First-Lane. Derzeit wird etwa "Willkommen Österreich" rund zwei Stunden vor der linearen Ausstrahlung auf ORF ON angeboten.
Auf Online-Only-Produktionen heißt es noch warten. Dafür ist eine Auftragsvorprüfung durch die Medienbehörde KommAustria nötig. Geplant wurde aber bereits: "Wir haben die Bereiche Breaking News, Kulturveranstaltungen und Veranstaltungen mit einem regionalen Aspekt im Fokus", so die ORF ON-Chefin.
Mit Blick auf die Barrierefreiheit hielt Reiter-Kluger fest, dass "immer was zu tun" sei, sich der ORF aber nicht zu verstecken brauche. Untertitel, eine akustische Bildbeschreibung und Österreichische Gebärdensprache lassen sich bei diversen Sendungen hinzufügen. Die Video-Abspielgeschwindigkeit kann angepasst werden.
Wer sich kostenlos und freiwillig auf ORF ON registriert und einloggt, kann nicht jugendgerechte Sendungen wie den "Tatort" tagsüber ansehen. Auch ist es so möglich, Favoriten zu speichern. Reiter-Kluger kündigte zudem für die Zukunft ein Feature für geräteübergreifendes Weiterschauen von Videos an.
Netflix und Amazon Prime Video als Konkurrenz
Mit Werbung zur neuen Plattform hielt sich der ORF noch zurück. "Die TVthek hat eine wahnsinnig hohe Bekanntheit. Ich weiß, dass ORF ON noch keinen hohen Bekanntheitsgrad hat - und das auch nicht haben kann. Es war bisher nur in einer Testversion verfügbar", sagte Reiter-Kluger. Aber für den Umstieg wurde vorgesorgt: Die ca. eine Million heruntergeladenen TVthek-Apps werden automatisch zur ORF-ON-App umgewandelt, sofern automatische Updates auf den Endgeräten aktiviert sind. Steuert man die Webseite tvthek.ORF.at an, wird man zur neuen Plattform on.ORF.at weitergeleitet. Im Herbst soll eine große Kampagne die Bekanntheit weiter erhöhen.
Gemessen wird ORF ON an großen Streaminganbietern wie Netflix und Amazon Prime Video. "Das ist natürlich schwierig, weil sie ganz andere Ressourcen zur Verfügung haben", gestand Reiter-Kluger. ORF ON würden aber die qualitativ hochwertigen öffentlich-rechtlichen Inhalten und die österreichische Identität auszeichnen.
ORF-Inhalte sind auch auf der Streamingplattform Joyn der Privatsendergruppe ProSiebenSat.1Puls4 abrufbar. "Natürlich wünschen wir uns, dass die Userinnen und User unsere Plattform annehmen. Gleichzeitig ist es so, dass Österreich ein kleiner Markt ist und es einen Schulterschluss gegen große Mitbewerber braucht. Die derzeitige Strategie ist daher, mit unseren öffentlich-rechtlichen Inhalten auch auf Drittplattformen vertreten zu sein", sah Reiter-Kluger keinen Rückzug von Joyn bevorstehen.
Im Gegenzug ist der ORF gesetzlich verpflichtet, Livestreams von privaten Vollprogrammen auf ORF ON einzubinden - sofern der Wunsch vonseiten der Privatsender danach besteht. "Bisher gibt es im Videobereich diesbezüglich noch keine Anfragen", so die ORF-Managerin.
Weitere Updates geplant
Der 22. Mai solle für ORF ON ein Startpunkt sein. "Es wird viele Updates und Weiterentwicklungen geben", versprach Reiter-Kluger. Klar sei, dass es aber davor "da und dort noch holpern" werde. Man habe für das Gesamtprojekt weniger als ein Jahr Umsetzungszeit gehabt. "Das Team, das im Hintergrund steht, hat versucht, das Unmögliche möglich zu machen. Klingt pathetisch, aber meine absolute Hochachtung dafür, was gelungen ist", sagte die ORF ON-Chefin. Bei der Entwicklung floss auch das Feedback von Userinnen und Usern ein. Auf dieses setze man weiterhin.