Andreas Schieder, der Spitzenkandidat der SPÖ für die EU-Wahl, zeigt sich "einigermaßen schockiert" über den Wahlkampf-Stil der Freiheitlichen.
"Die FPÖ-Plakate sind schrecklich und zeigen ein ganz schreckliches Weltbild und sind eines normalen Wahlkampfs nicht würdig", meint der rote Listenerste im APA-Interview. Heraushalten will sich Schieder aus der Debatte um privat getätigte Äußerungen der Grünen Spitzenkandidatin Lena Schilling.
Freiheitliche zeigen sich auf Plakaten äußerst EU-kritisch
Die Freiheitlichen zeigen sich auf ihren Plakaten wie in ihrer gesamten Kampagne äußerst EU-kritisch, ein Sujet suggeriert eine Art Geschwisterkuss zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Schieder meint, überrascht sei er nicht von der FPÖ, die er am Weg zu einem "Öxit" sieht. Deshalb setze er auch auf Inhalte und darauf darzustellen, dass es bei der Wahl darum gehe, entweder Europa gerechter zu machen oder nach rechts abdriften zu lassen.
So hält es Schieder auch sichtlich nicht für ein Problem, dass seine Partei Webadressen gekapert hat, die man normal eher der FPÖ zugeordnet hätte. "Foul" sei das keines, meint der Spitzenkandidat auf Nachfrage, sondern "ein Denkanstoß". Weniger Europa sei ein "sehr gefährlicher Weg". Die Aktion mit den Web-Adressen sei eine Form, auf dieses Thema medial aufmerksam zu machen - "ein Weg, der zum Nachdenken anregen soll".
Die Freiheitlichen reagierten am Samstag mit Gegen-Angriffen von Spitzenkandidat Harald Vilimsky auf Schieder. Wenn man über etwas schockiert sein müsse, dann sei das die "schreckliche Politik der SPÖ", die Österreichs Interessen sowohl im Inland als auch in Europa regelmäßig verrate: "Die SPÖ steht mit ihren linken Kumpanen für Masseneinwanderung in das Sozialsystem, den Brüsseler Zentralisierungswahnsinn, den Verlust von Arbeitsplätzen durch die verrückten Klimamaßnahmen und das Vorantreiben der Rekordteuerung."
Zurück zu Schieder: Nicht anstreifen will der rote Spitzenkandidat an die Debatte um kolportierte private Aussagen Schillings, die in den vergangenen Tagen vor allem von Boulevard-Zeitungen breit getreten worden waren. Dies sei eine Angelegenheit, die Schilling und die Grünen zu beantworten hätten. Er habe "genug anderes" im Wahlkampf zu tun. Die Frage, ob solche Privat-Aussagen überhaupt etwas in einer öffentlichen Diskussion verloren hätten, umschiffte Schieder: "Ich will mich zu dieser Affäre gar nicht weiter äußern, die hat mit unserem Wahlkampf nichts zu tun."
Sehr wohl eine Meinung hat der rote Spitzenkandidat bezüglich der Besetzung des österreichischen Postens in der EU-Kommission, der im Sommer oder Herbst ansteht: "Es ging bisher immer darum, einen ÖVP-Politiker zu versorgen und dafür ist Europa zu schade." Daher brauche es eine offene Diskussion, welche Qualifikationen und politische Richtung die Person haben sollte. Klar sei, es brauche in Europa mehr pro-europäische und soziale Stimmen.
Nach welchem Modus man den Posten vergeben sollte, wollte sich Schieder abseits des normalen Prozederes nicht festlegen. Gefragt danach, ob die stärkste Partei die Position erhalten sollte, meinte er, das sei eine von verschiedenen Möglichkeiten. Was er aber ablehne, seien "Hinterzimmer-Deals". Offenbar hätten sich ÖVP und Grüne ja schon im Regierungsübereinkommen darauf verständigt, dass die Volkspartei wieder den Kommissar stelle: "Der Posten 2024 wurde schon im Jahr 2019 verschachert in einem Hinterzimmer-Deal."
Schieder fordert aktivere Rolle der EU in Nahost
Der SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder hat sich im APA-Gespräch überzeugt davon gezeigt, dass sich die Europäische Union im Nahost-Konflikt zur Lösungsfindung stärker einbringen müsse. Die österreichische Neutralität sei sehr wertvoll und solle auch weiter bestehen, so Schieder, doch bedeute das nicht, "dass wir wegschauen". Für die von Russland angegriffene Ukraine fordere er daher "volle humanitäre Hilfe" sowie "volle politische Unterstützung".
Wien. Das bedeute auch, bei den Sanktionen "allen Ernstes" mitzumachen und "nicht durch Augenzwinkern zulassen, dass österreichische Banken oder andere weitere Geschäfte machen". Dies müsse alles unterbunden werden und stattdessen mehr auf der humanitären Ebene geholfen werden.
Im Nahen Osten könne Stabilität mittel- und langfristig nur über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Staaten der Region erreicht werden, betonte Schieder. Zunächst brauche es aber eine Lösung des aktuellen Konflikts zwischen Israel und der Hamas und hier sei die Geiselfrage ein ganz zentraler Punkt. Nach der Niederschlagung der Hamas, die eine menschenverachtende Terrororganisation sei und die eigene Bevölkerung in Geiselhaft halte, müsse Europa jedenfalls massiv an einer politischen Lösung mitarbeiten.
Zunahme antisemitischer Vorfälle in unserer Gesellschaft
Die Zunahme antisemitischer Vorfälle in unserer Gesellschaft im Zuge des Nahost-Konflikt sehe er mit großer Sorge. Dies sei nicht hinnehmbar, "weder aus unserer Geschichte heraus, noch aus einer grundsätzlichen, demokratischen, humanistischen Grundhaltung heraus", so Schieder.
Angesichts des wachsenden Einfluss von Staaten wie China, Russland oder der Türkei in den Westbalkanstaaten forderte Schieder "mit aller Härte und Schärfe für unsere Grundrechte" einzutreten, "für Demokratie, für Freiheit der Justiz, für Medienfreiheit, für Frauenrechte, für Schwulen- und Lesbenrechte, für eine pluralistische Gesellschaft", denn die sei oft unter Druck. So sei bei der vergangenen Wahl in Serbien hoher Wahlbetrug vermutet worden. Das seien alles Dinge, wo Europa nicht wegschauen dürfe und müsse auch beim Beitrittsprozess eine Rolle spielen. Beitrittsverhandlungen mit den Balkanländern könne es nur auf der Basis von Reformen geben, so Schieder, denn er wisse auch, "die Menschen am Westbalkan wünschen sich europäisches Leben und das heißt frei von Korruption und frei von Betrug nach europäischen guten Standards".
Er befürworte die EU-Erweiterung sehr, "aber nur auf Basis europäischer Grundrechte", betonte Schieder weiters. Generell plädiere er für ein Europa der schnellen Entscheidungen, auf Basis von Parlamentsbeschlüssen. Dennoch gebe es ein Paar Bereiche, wo die Einstimmigkeit ein Hemmschuh für die Europäische Entwicklung sei, etwa die Steuerpolitik oder die Entscheidung über nur einen EU-Parlamentssitz. In anderen Bereichen, etwa der Verteidigungspolitik im engeren Sinne, "also sprich, wo unsere Neutralität berührt" sei oder was die Aufnahme von neuen EU-Mitgliedern betreffe, sei die Einstimmigkeit jedoch durchaus sinnvoll. Sicherheitspolitisch gelte es jedenfalls nicht nur das Militär aufzurüsten, sondern auch eine Antwort auf den Desinformationskrieg ausländischer Mächte zu finden, "die die europäische Demokratie schwächen wollen", so Schieder.
Seine Zustimmung zum europäischen Asyl- und Migrationspakt habe er gegeben, weil er absolut davon überzeugt sei, dass endlich ein gemeinsamer Ansatz gefunden werden müsse. "Das heißt gemeinsamer Außengrenzschutz, schnellere Verfahren auf Basis von gemeinsamen Standards, damit auch endlich diese rechtswidrigen Pushbacks und inhumanen Zustände in einzelnen griechischen Lagern aufhören", sagte Schieder. Das hieße aber auch eine "fairere Aufteilung der Asylberechtigten auf alle Mitgliedsstaaten", sprich weniger für Österreich.
Abgelehnte Asylwerber müssten rasch wieder zurückgeschickt werden, dafür brauche es auch Rücknahmeabkommen. Das britische Ruanda-Modell sei jedenfalls nur ein innenpolitische Gag einer Regierung, die bald abgewählt werde. Klar sei jedenfalls, wo Rechtspolitiker wie die Regierung Giorgia Melonis in Italien an der Macht seien, werde die Asylproblematik nur komplexer und nicht gelöst. So seien unter dem FPÖ-Innenminister Herbert Kickl "die Zahlen in Österreich massiv angestiegen". Ähnliches gelte für Meloni oder die Rechtsregierung in Griechenland. "Daher ist es höchste Zeit, jetzt gemeinsam europäischer dieses Problem anzugehen."