Nach den Enthüllungen über russische Spionageaktivitäten in Wien haben die NEOS am Montag Parlamentarische Anfragen an Innenminister Gerhard Karner, Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) und Justizministerin Alma Zadić (Grüne) gestellt.
Neben Fragen zu russischen Diplomaten möchten die NEOS insbesondere Informationen über geplante Änderungen des österreichischen Strafrechts erhalten, das im Bereich Spionage als verhältnismäßig liberal betrachtet wird. Stephanie Krisper, Sicherheitssprecherin der NEOS, hat diese Anfragen eingereicht.
Enthüllungen zu russischer Spionage: NEOS-Kritik an Regierung
"Die Passivität der Bundesregierung und der Sicherheitsbehörden ist fahrlässig und unverantwortlich. Sie ist beschämend, unseren europäischen und internationalen Partnern und der ukrainischen Zivilbevölkerung gegenüber. Mit dem russischen Spionageparadies Österreich muss endlich Schluss sein", begründete Krisper am Freitag ihre Anfragen. Sie verwies auf kürzliche Veröffentlichungen von "Der Standard", "Spiegel", ZDF und "The Insider", die sich detailliert mit Spionageaktivitäten des nach Russland geflohenen Ex-Bankiers Jan Marsalek sowie einer mutmaßlichen Rolle von zwei österreichischen Ex-Verfassungsschützern beschäftigten. Die Politikerin erinnerte aber auch an eine Publikation der "Financial Times" vom Mittwoch, in der Wien und Genf als "sichere Drehscheiben" bezeichnet wurden, aus denen mittlerweile ein Drittel aller russischen Spionageoperationen in Europa geleitet werden sollen.
NEOS-Anfragen zu Akkreditierung von russischen Diplomaten
In ihrer, der APA vorliegenden Anfrage an Innenminister Karner möchte Krisper neben Angaben zu aktuellen Spionageverfahren vor allem Details zur Zusammenarbeit von Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) und Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA) erfragen. Konkret geht es um nachrichtendienstliche Aspekte bei der diplomatischen Akkreditierung, und ob sich dieses Prozedere bei Diplomatinnen und Diplomaten aus Russland seit Beginn des Aggressionskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 verändert hat. Zudem interessiert sie, ob die DSN dem Außenministerium nahe gelegt hat, die Anzahl des administrativ-technischen Personals an russischen Vertretungen zu begrenzen und damit Signalaufklärung russischer Dienste von Österreich aus zu erschweren. Eine analoge Frage richtet Krisper auch an Außenminister Schallenberg, der zudem um detaillierte statistische Angaben zu den in Österreich akkreditierten Diplomatinnen und Diplomaten aus Russland ersucht wird.
Krispers Anfrage an Justizministerin Zadić bezieht sich indes auf Vorbereitungsarbeiten für eine mögliche weitere Novellierung von § 256 des österreichischen Strafgesetzbuches, der geheimdienstliche Tätigkeiten gegen Österreich mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren sanktioniert. Bis zu einer Novellierung im Jahr 2021 war der maximale Strafrahmen bei drei Jahren Freiheitsstrafe gelegen. Krisper hoffte am Freitag zudem, dass Zadić am 14. März einer Einladung in den ständigen Unterausschuss des Innenausschusses des Parlaments Folge leisten und das für Geheimdienste zuständige Parlamentariergremium auch mündlich informieren würde.
Forderungen nach Gesetzesverschärfungen nach Enthüllungen zu russischer Spionage
Die NEOS haben zuletzt wiederholt eine Verschärfung sowie eine Ausweitung des Spionageparagrafen auch auf Spionage gegen fremde Staaten und internationale Organisationen gefordert. Dass das österreichische Strafgesetzbuch in derartigen Fragen eher lax ist, war historisch jedenfalls ein wichtiger Faktor gewesen, der Wien während des Kalten Krieges zum Eldorado für einander wechselseitig beobachtende Spione aus Ost und West gemacht hatte.
Gerade der KGB hatte den diesbezüglichen Liberalismus im österreichischen Strafrecht seinerzeit mit Wohlwollen rezipiert: In der als "Streng geheim" klassifizierten KGB-Fortbildungszeitschrift "Arbeiten der höheren Schule" rezensierte etwa 1980 ein Oberstleutnant M. Dolmatow das in Grundzügen auch 2024 weiterhin geltende österreichische Strafgesetzbuch von 1975. Besonderes Augenmerk legte er dabei auch auf Bestimmungen zur nationalen Sicherheit und auf § 256. "Es ist nicht schwer zu verstehen, dass sich der Schutz der äußeren Sicherheit Österreichs in Friedenszeiten nur auf den Schutz von (österreichischen, Anm.) Staatsgeheimnissen bezieht", schrieb der KGB-Jurist. Die Geheimnisse anderer Staaten seien durch diese rechtliche Normen nicht geschützt, betonte er. Implizit forderte der KGB-Jurist damit auch zu Spionageaktivitäten in Österreich auf.