Im Grazer Straflandesgericht standen am Mittwoch vor einem Schöffensenat acht Männer und zwei Frauen.
Die Angeklagten werden beschuldigt, an Schleppereien beteiligt gewesen zu sein, die im Rahmen einer kriminellen Organisation stattfanden. In den meisten Fällen wurden 20 bis 30 Menschen in einem Kastenwagen von Budapest aus über die Grenze gebracht. Die meisten der Angeklagten haben ihre Taten zugegeben.
Staatsanwältin bei Prozess um Schlepperei: Angeklagte sind die untere Ebene
Es dauerte eine ganze Stunde, bis die zehn Angeklagten im Alter von 21 bis 31 Jahren in der richtigen Reihenfolge hingesetzt und - großteils mit Dolmetscherin - nach ihren Personalien befragt wurden. Auf der Geschworenenbank drängten sich die dazugehörigen zehn Anwälte.
"Dieses Verfahren ist ein kleiner Ausschnitt eines weiteren Verfahrens", begann Staatsanwältin Gertraud Pichler und betonte: "Diese Angeklagten sind nicht die großen Kapos, sondern die untere Ebene." Die Beschuldigten führten in erster Linie Fahrten durch, waren aber auch in Begleitfahrzeugen dabei. "Die Schlepper fahren nicht allein, ein Auto fährt vorne und versucht vor Polizeistreifen zu warnen, ein weiteres Auto fährt hinten nach", erklärte die Anklägerin das System.
Schlepper lieferten sich wilde Verfolgungsjagd mit Polizei
"Es gibt unterschiedliche Rollen, auch das Fördern von Schlepperei ist strafbar", betonte die Staatsanwältin. Dazu gehöre auch das Ausstellen von falschen Visa, ein Auto zur Verfügung stellen oder Geld geben. Ziel sei es gewesen, "die Flüchtlinge abzuzocken". Gegen die Komplizen wird teilweise auch noch ermittelt.
Eine der Fahrten verlief besonders spektakulär: Zwei der Angeklagten, die ein Paar waren, fuhren mit dem Kastenwagen voller Flüchtlinge, als sie einer Zivilstreife auffielen. Die Beamten wollten den Wagen stoppen, doch dieser fuhr einfach weiter. "Es begann eine wilde Verfolgungsjagd", beschrieb die Staatsanwältin. Da der 21-Jährige keinen Führerschein hatte, tauschte er in voller Fahrt mit seiner Freundin den Platz. Sie konnte nicht bremsen und fuhr in ein Polizeifahrzeug. Erst als die Polizei mit gezogener Waffe auf die beiden zuging, gaben sie auf.
Angeklagte bestritten bei Schlepperei-Prozess in Graz Beteiligung an krimineller Organisation
Der 21-Jährige erzählte, dass er über TikTok zu dem Schlepper-Auftrag gekommen war. "Es war eine Werbung, dass sie Fahrer suchen", erzählte er. Dann habe er über WhatsApp mit dem Auftraggeber telefoniert. "Das war ja sehr breit und professionell aufgezogen", stellte die Richterin fest. Er sollte "Leute von Wien nach Deutschland bringen" und dafür 3.000 Euro kassieren. Als er die Zivilstreife sah, habe er Panik bekommen: "Ich habe ja keinen Führerschein", schilderte der Angeklagte. "Wenn Sie gerade elf Personen schleppen, ist der fehlende Führerschein Ihr geringstes Problem", meinte die Richterin.
Die Beschuldigten waren durchwegs geständig, bestritten aber alle, an einer kriminellen Organisation beteiligt gewesen zu sein. Die meisten wollen auch nur ein einziges Mal an einer Schlepperaktion beteiligt gewesen sein. Am Nachmittag wurde die Einvernahme der Beschuldigten fortgesetzt, außerdem waren Zeugen geladen.
Prozess um Schlepperei vertagt
Am Abend gab die Richterin die Vertagung der Verhandlung bekannt. Die Fortsetzung ist für 4. März geplant.