Im Mai erreichte die Inflation in Österreich 8 Prozent. Das ist Niveau, das sei fast 50 Jahren nicht mehr zu beobachten gewesen war. Wifo und IHS rechnen im Gesamtjahr 2022 mit einer Rate von 6,5 bis 7 Prozent.
Die "starke Preisdynamik" sei zu hohen Anteilen auf gestiegene Weltmarktpreise von importieren fossilen Brennstoffen und zunehmend auch von Agrarrohstoffen zurückzuführen, hielten die Wirtschaftsforschungsinstitute IHS und Wifo am Mittwoch in einer Stellungnahme fest. Binnenwirtschaftliche Maßnahmen könnten lediglich dazu beitragen, die Wohlstandsverluste gerechter zu verteilen.
Preissteigerung laut ist laut IHS und Wifo auf Importe zurückzuführen
Für das Gesamtjahr 2022 rechnen die Wirtschaftsforscher - aus heutiger Sicht - mit einer Rate von 6,5 bis 7 Prozent. 2023 dürfte sich die Inflation laut IHS und Wifo zwar abschwächen, aber immer noch rund 4 Prozent betragen.
Beinnenwirtschaftliche Maßnahmen helfen nicht gegen Wohlstandsverluste
Gegen die daraus resultierenden Wohlstandsverluste im
Inland helfen binnenwirtschaftliche Maßnahmen nicht, wie die Ökonomen
hervorstrichen. Sie könnten allerdings "dazu beitragen, die
gesamtwirtschaftlichen Verluste gerechter zu verteilen". Der Staat könne
die Kosten mit höherer Schuldenaufnahme nur zeitlich strecken, den
volkswirtschaftlichen Schaden aber nicht ungeschehen machen.
Staatsbudget und Vereinbarkeit mit Klimazielen soll beachtet werden
Vielmehr
bestehe sogar "die Gefahr, dass großzügige schuldenfinanzierte
Kompensationsmaßnahmen die Inflation sogar noch weiter beschleunigen,
weil sie die Nachfrage nach knappen Gütern befeuern", mahnten IHS und
Wifo. Die Auswirkungen auf das Staatsbudget und die Vereinbarkeit mit
den Klimazielen sollten im Auge behalten werden.
Regierung wiel Anti-Teuerungs-Pakete um Maßnahmen ergänzen
Um die Inflation abzuschwächen und die Kaufkraftverluste der privaten verfügbaren Haushaltseinkommen abzufedern, will die Regierung die beiden bereits geschnürten Anti-Teuerungs-Pakete nun um weitere Maßnahmen ergänzen. Die Wirtschaftsforschungsinstitute erteilen einigen von der Politik diskutierten Plänen wie etwa der Senkung der Mehrwertsteuer oder der Mineralölsteuer als "sozial wenig treffsicher" und dem Energiepreisdeckel oder einem Mietenstopp als "nicht unproblematisch" eine klare Absage. Dasselbe gelte für die Einführung neuer vermögensbezogener Steuern. Österreich sei bereits ein Hochsteuerland.
IHS und Wifo halten aber Alternativvorschläge bereit
IHS
und Wifo halten aber Alternativvorschläge bereit. Bei Bedarf sollten
für die krisenbedingten Mehrausgaben andere Ausgaben - "vorzugsweise in
Form des Abbaus ökologisch kontraproduktiver Subventionen" -
umgeschichtet oder das Budgetdefizit erhöht werden.
Anhebung der Sozialleistungen für niedrige Einkommen empfohlen
Für das
Vermeiden sozialer Härten seien eine Erhöhung der Absetzbeiträge für
Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen
(Pensionisten-Absetzbetrag, Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag) und der
Negativsteuer sowie eine Anhebung existenzsichernder Sozialleistungen
(Ausgleichszulage, Mindestsicherung, Sozialhilfe, Leistungen für
geflüchtete Menschen) und der Familienleistungen insbesondere für
niedrige Einkommen (Mehrkindzuschlag bei der Familienbeihilfe und
Kindermehrbetrag beim Familienbonus) "geeignete Instrumente".
IHS und Wifo: Inflation dürfte mittelfristig höher bleiben
Da
die Inflation auch mittelfristig höher bleiben dürfte, sollte laut IHS
und Wifo eine auch unterjährige Inflationsanpassung zur Absicherung der
Kaufkraft der Sozialleistungen vorgenommen werden. Eine automatische
Indizierung empfehlen sie aber "zunächst nicht. Vielmehr sollten
Vorschläge entwickelt werden, "wie das Sozialsystem gegenüber
Inflationsschocks robuster gemacht werden kann".
Zu flankieren
wären diese kurzfristig wirksamen Entlastungsmaßnahmen durch
längerfristig-strukturelle Maßnahmen wie Einsparungen bei fossiler
Energie, zurückhaltender Fiskalpolitik, Ausgleich der kalten Progression
und Senkung der Lohnnebenkosten etwa in Form der Reduktion der
Arbeitslosenversicherungsbeiträge oder der Beiträge zum
Familienlastenausgleichsfonds- oder zur Wohnbauförderung.
Verstärkte Nutzung regenerativer Energieträger gefordert
Für die
verstärkte Nutzung regenerativer Energieträger als Ersatz für fossile
Energie sollten unter anderem Genehmigungsverfahren gestrafft werden,
etwa hinsichtlich der Anlagengenehmigung, der Flächenwidmung und der
Raumplanung. Sinnvoll seien Förderungen des energetischen Umbaus, etwa
beim Brennkesseltausch in Haushalten oder beim Ersatz von Gas zur
Produktion von Prozesswärme in Produktionsbetrieben. Das Energiesparen
sollte generell forciert werden - in privaten Haushalten ebenso wie bei
staatseigenen Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen wie Schulen oder
Kindergärten und Verwaltungsgebäuden.
Inflation könnte durch Verringerung der Nachfrage bekämpft werden
Inflation könne auch durch
Verringerung der Nachfrage bekämpft werden. Notwendige staatliche
Infrastrukturmaßnahmen, etwa im Rahmen der Energiewende, und staatliche
Subventionen für Energiesparmaßnahmen werden weitere Nachfrage erzeugen
und könnten potenziell zur Inflation beitragen. Dem sollte durch eine
zurückhaltende Fiskalpolitik in anderen Ausgabenbereichen gegengesteuert
werden. Zusätzliche staatliche Leistungen sollten auf das Notwendigste
beschränkt werden, das heißt auf die Unterstützung von Haushalten mit
niedrigem Einkommen. Weiters seien die großen Strukturreformen im
öffentlichen Sektor wie etwa im Föderalismus, Förderwesen,
Gesundheitswesen oder Pensionssystem "dringend auf Schiene zu bringen".
Inflation macht Abschaffung kalter Progression dringender
Die
stark gestiegene Inflation mache die Behandlung der kalten Progression
dringender. Als Sofortmaßnahmen eignet sich laut IHS und Wifo eine
einmalige Anpassung aller Tarifgrenzen. Bei der jetzigen Höhe der
Inflation sei "eine Anpassung um 5 Prozent angemessen". Die
systematische Abschaffung der kalten Progression erfordere "ein
gründliches Vorgehen und sollte nicht übereilt angegangen werden".
Preisreduktion von Energieträgern sei "nicht empfehlenswert"
Grundsätzlich
"nicht empfehlenswert" sind laut IHS und Wifo hingegen Maßnahmen, "die
in den Preismechanismus eingreifen und die relativen Preise von
Energieträgern reduzieren". Sie konterkarierten die strukturellen Ziele
der Verminderung der Energieabhängigkeit sowie der Klimaneutralität.
Auch seien Preissenkungen "nicht sozial treffsicher". Bei
Steuersenkungen sei "unklar, in welchem Ausmaß sie an die Endverbraucher
weitergegeben werden".
Temporäre STeuersenkungen würden die Inflation erhöhen
Außerdem würden temporäre Steuersenkungen,
wenn sie ausliefen und die Steuersätze auf das ursprüngliche Niveau
zurückkehrten, die Inflation vorübergehend erhöhen. Solche Maßnahmen
seien zudem "fiskalisch in der Regel sehr teuer". "Vor diesem
Hintergrund ist von einer Reihe derzeit diskutierter Maßnahmenvorschläge
abzuraten", betonten die Wirtschaftsforscher unisono.