Der Prozess gegen einen 65-jährigen Anästhesisten wegen grob fahrlässiger Tötung einer Patientin einer Kinderwunschklinik in Baden findet am 22. Juni in Wiener Neustadt erneut statt.
Einen entsprechenden Bericht des "Kurier" (Freitagsausgabe) bestätigte Birgit Borns, die Sprecherin des Landesgerichts Wiener Neustadt, auf Anfrage. Ein in der Causa gefälltes Unzuständigkeitsurteil war vom Oberlandesgericht Wien (OLG) aufgehoben worden.
Der Mediziner war bereits am 9. Dezember 2020 vor Gericht gestanden. Grund dafür war der Tod einer 32-Jährigen infolge einer am 3. Juni 2020 in einer Badener Kinderwunschklinik durchgeführten Follikel-Punktion (Anstechen der Eibläschen zur Eizellenentnahme, Anm.). Bei zwei am selben Tag in der privaten Einrichtung behandelten Frauen im Alter von damals 31 und 35 Jahren kam es ebenfalls zu Komplikationen. Die beiden waren vorübergehend intensivmedizinisch betreut worden, befanden sich aber bald auf dem Weg der Genesung. In diesem Zusammenhang wurde dem Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin fahrlässige schwere Körperverletzung vorgeworfen.
Konkret soll der 65-Jährige am 3. Juni
2020 einen Fehler bei der Verabreichung des Mittels Propofol begangen
haben. Wie es seitens der Staatsanwaltschaft hieß, hatte der
Beschuldigte am Tag
davor in einer Wiener Klinik ein mit dem Stoff befülltes Fläschchen
verwendet. Anstatt es danach zu entsorgen, transportierte der Angeklagte
das bereits geöffnete Gebinde mit nach Hause und lagerte es dort im
Kühlschrank. Entstandene Keime sollen nach der Verabreichung des Mittels
zum Tod der 32-Jährigen und zu schweren Komplikationen bei den zwei
weiteren Frauen geführt haben.
Der Einzelrichter war im Laufe des ersten Prozesses zur Erkenntnis gelangt, dass der Angeklagte vorsätzlich und nicht grob fahrlässig gehandelt habe, weil er gewusst haben müsste, dass das Propofol nicht mehr verwendbar war. Daher wollte der Richter das Verfahren wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (Strafrahmen bis zu 15 Jahre) an ein Schöffengericht weiter delegieren. Das OLG teilte diese Rechtsmeinung allerdings nicht.