Es ist eine politische Bombe – und sie platzte Donnerstagfrüh. Die Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ haben das Gesetz zum 12-Stunden-Tag nochmals abgeändert: Die neuen Arbeitszeiten – „freiwillig“ 12 Stunden am Tag bzw. 60 Stunden die Woche – gelten bereits ab 1. September.
Wende. Diese Wende kam völlig überraschend, sollte die Arbeitszeitflexibilisierung doch erst Anfang 2019 in Kraft treten. Doch die Strategen der Koalition hatten wohl auch ÖSTERREICH gelesen: Die Gewerkschaft plant einen heißen Streikherbst und harte Lohnrunden. Und die SPÖ will Volksbegehren einleiten, um eine Volksabstimmung zu erzwingen: Ziel: mehr als eine Million Unterstützer.
Hassduell. Und so wurde die Parlamentsdebatte zu einem Hassduell zwischen ÖVP und FPÖ auf der einen Seite sowie vor allem SPÖ und Liste Pilz auf der anderen. Und zu einem „Taferl-Krieg“. Während die linke Seite des Hauses durchgestrichene 12er und 60er hochhielt, konterten die türkis-blauen Mandatare mit Taferln, auf die „Beschäftigungsgarantie“ gedruckt war.
© APA/ROLAND SCHLAGER
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Volksabstimmung. SPÖ-Chef Kern beantragte eine Volksabstimmung, doch das schmetterte die Koalition ab. Um so härter dann seine Rede: „Das Gesetz ist ungerecht, unausgegoren und unvernünftig!“, wetterte er. „Wenn man sieht, dass nur Industrie und Wirtschaft das Vorhaben bejubeln, weil geliefert wurde, was bestellt wurde, weiß man, wem das Gesetz nutzt.“
Auch ÖVP und FPÖ schossen aus allen Rohren. Weil mehrere ÖVP- und FPÖ-Abgeordnete vor ihren Büros Pflastersteine und Grablichter fanden, warfen sowohl Klubchef August Wöginger als auch sein FPÖ-Kollege Johann Gudenus dem ÖGB vor, mit Gewalt zu drohen. Konter des ÖGB: „Wir waren es nicht.“ Im Gegenteil distanzierte sich Bau-Holz-Gewerkschaftschef Josef Muchitsch: „Ein Pflasterstein darf im 21. Jahrhundert kein Zeichen von Gewalt sein, das ist ein Zeichen schwerer Arbeit und Ausbeutung.“
SPÖ und Gewerkschaft weisen Vorwürfe der Regierungsparteien über die angebliche Bedrohung von Abgeordneten durch Pflastersteine zurück. ÖVP und FPÖ hatten zuvor berichtet, dass in der Nacht auf Donnerstag Plakate, Pflastersteine und Grablichter vor den Privatadressen von ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten platziert wurden. Die Koalitionsparteien werteten dies als Bedrohung durch ÖGB und SPÖ.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher bezeichnete dies als "tatsachenbefreite Stimmungsmache". Die Behauptungen seien auf das Schärfste zurückzuweisen. "Wir bedrohen niemanden. Die Einzigen, die bedroht werden, sind Österreichs Beschäftigte, denen von Schwarz-Blau durch die 60-Stunden-Woche Löhne, Gesundheit und Familienzeit gestohlen werden", meinte Lercher in einer Aussendung.
Ähnlich der Gewerkschafter und SPÖ-Abgeordnete Josef Muchitsch: "Ein Pflasterstein darf im 21. Jahrhundert kein Zeichen von Gewalt sein, das ist im 21. Jahrhundert ein Zeichen schwerer Arbeit und Ausbeutung." Pflastersteine dienten schon als Anschauungsmaterial beim jüngsten ÖGB-Kongress, um zu verdeutlichen, dass der in Wien lebende Pflasterer Günther statt 3.500 Kilogramm in 8 Stunden nach der Einführung der neuen Arbeitszeitregeln künftig bei 4 Stunden Mehrarbeit am Tag bis zu 1.800 Kilo mehr an Pflastersteinen über sein Kreuz heben muss.
Eine Distanzierung von Gewalt erfolgte schon zuvor von zahlreichen Abgeordneten der SPÖ. Auch Parteivorsitzender Christian Kern lehnte die Aktion klar ab: Man habe mit dieser Sache nichts zu tun, lehnen dies zutiefst ab. "Das war idiotisch", sagte er.
ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten griffen die Aktion dagegen dankbar auf, um der SPÖ wie auch der Gewerkschaft Gewaltbereitschaft vorzuwerfen.