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ORF-Streit eskaliert: Jetzt schaltet sich sogar Kanzler ein

1-01-1970, 00:00

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich am Mittwoch vom durchgesickerten Entwurf einer neuen Social-Media-Richtlinie für den ORF "mehr als nur überrascht" gezeigt. Es handle sich zwar um eine "Angelegenheit des ORF", aber den "Erlass" sehe er "sehr skeptisch", betonte Kurz im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

ORF-Mitarbeiter sollen laut dem Entwurf künftig (auch "privat") Äußerungen auf Twitter und Co. vermeiden, die als Zustimmung, Ablehnung oder sonstige Positionierung gegenüber politischen Akteuren oder Organisationen interpretierbar sind - auch indirekt, z. B. via Likes. Aus dem Redakteurskreis kam umgehend Kritik an den geplanten Vorgaben. Der Wunsch nach möglichst strengen Richtlinien für das Social-Media-Verhalten von ORF-Mitarbeitern wurde zuletzt im Stiftungsrat des ORF wieder vehement geäußert - allen voran vom freiheitlichen Vorsitzenden des Gremiums Norbert Steger und vom ÖVP-Freundeskreisleiter Thomas Zach. Steger hatte wiederholt auch die Notwendigkeit von Sanktionen betont.

Kurz sieht Richtlinie "sehr skeptisch"

Gefragt, ob die neue Richtlinie also ein Maulkorb der Regierungsparteien bzw. der erste Schritt Richtung "Neutralisierung" des ORF sei, wie sie der oberösterreichische FPÖ-Landesrat Elmar Podgorschek gefordert hatte, machte Kurz deutlich, dass er mit den Vorgaben wenig anfangen kann: "Ich halte die Meinungsfreiheit für ein hohes Gut." Er habe von der Richtlinie in der Zeitung gelesen und sehe sie "sehr skeptisch".
 
Weniger kritisch äußerte sich Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ): Es handle sich um eine "interne Angelegenheit" des ORF, dort sei die Fragestellung gut aufgehoben. In Sachen Meinungsfreiheit sei er mit dem Kanzler einer Meinung. Es gebe bei einem öffentlich-rechtlichen Sender aber schon die "Erwartungshaltung", dass dem öffentlich-rechtlichen Auftrag im Sinne von "neutraler" und "unabhängiger" und nicht "parteipolitischer" Berichterstattung nachgekommen werde, fügte der Vizekanzler hinzu.
 
Scharfe Worte kamen am Mittwoch von Reporter ohne Grenzen Österreich. Präsidentin Rubina Möhring sprach von einem "inakzeptablen Anschlag auf die Meinungs- und Pressefreiheit": "Grundrechte wie freie Meinungsäußerung müssen gerade auch für kritische Stimmen gelten." Möhring warnte vor einem "gefährlichen Schritt hin zu Vorschriften innerhalb eines autoritären Regimes".

ORF-Stars laufen Sturm

Seit gestern steht die ORF-Welt kopf, zumindest wenn man sich die Twitter-Einträge diverser Moderatoren und Redakteure des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu Gemüte führt. Denn seit aus dem Büro von ORF-General Alexander Wrabetz die neuen Social-Media-Richtlinien für Armin Wolf und Co. verschickt wurden, herrscht im ORF "Revolutionsstimmung".

Die E-Mail des Generaldirektos hat es in sich. ORF-Mitarbeiter hätten „auch im privaten Umfeld“ auf „Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien“ zu verzichten, die eine Meinung oder Haltung zu Parteien, Institutionen oder Akteuren artikulieren. „Im Zweifel“ sollten sie lieber gar keine Meinung äußern. Im Klartext: Kritik an Politikern solle es künftig auf Social Media nicht mehr geben.

ORF-Stars blasen zur Revolution

Grund genug für die ORF-Stars, am Küniglberg Sturm zu laufen. 

So twitterte zum Beispiel Ö1-Redakteur Stefan Kappacher:

Und auch Armin Wolf macht seinem Ärger indirekt Luft:

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz  verwies in einer ersten Stellungnahme  auf die bereits bestehenden Richtlinien der BBC

Lenkt Wrabetz in letzter Minute noch ein? 

Mittwoch Mittag zeigte sich der ORF-General schon gesprächiger, wies aber jegliche Kritik seitens seiner Mitarbeiter wie auch der ausländischen Presse von sich.

Dieser Entwurf sei vergangenen Freitag an Redakteursrat, Zentralbetriebsrat, Chefredakteure und ORF-Direktoren gegangen, erklärte Wrabetz. Nachdem das Papier publik geworden war, schickte er nun noch eine Information an denselben Adressatenkreis nach: "Der guten Ordnung halber" hält er darin fest, dass der Text "ein Entwurf ist, der noch mit der Redakteursvertretung und dem Zentralbetriebsrat beraten wird", heißt es in dem der APA vorliegenden Schreiben: "Darüber hinaus bin ich für Anregungen im Hinblick auf Formulierungen dankbar."

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