Seit gestern steht die ORF-Welt kopf, zumindest wenn man sich die Twitter-Einträge diverser Moderatoren und Redakteure des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu Gemüte führt. Denn seit aus dem Büro von ORF-General Alexander Wrabetz die neuen Social-Media-Richtlinien für Armin Wolf und Co. verschickt wurden, herrscht im ORF "Revolutionsstimmung".
Die E-Mail des Generaldirektos hat es in sich. ORF-Mitarbeiter hätten „auch im privaten Umfeld“ auf „Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien“ zu verzichten, die eine Meinung oder Haltung zu Parteien, Institutionen oder Akteuren artikulieren. „Im Zweifel“ sollten sie lieber gar keine Meinung äußern. Im Klartext: Kritik an Politikern solle es künftig auf Social Media nicht mehr geben.
Grund genug für die ORF-Stars, am Küniglberg Sturm zu laufen.
So twitterte zum Beispiel Ö1-Redakteur Stefan Kappacher:
Und auch Armin Wolf macht seinem Ärger indirekt Luft:
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz verwies in einer ersten Stellungnahme auf die bereits bestehenden Richtlinien der BBC
Mittwoch Mittag zeigte sich der ORF-General schon gesprächiger, wies aber jegliche Kritik seitens seiner Mitarbeiter wie auch der ausländischen Presse von sich.
Dieser Entwurf sei vergangenen Freitag an Redakteursrat, Zentralbetriebsrat, Chefredakteure und ORF-Direktoren gegangen, erklärte Wrabetz. Nachdem das Papier publik geworden war, schickte er nun noch eine Information an denselben Adressatenkreis nach: "Der guten Ordnung halber" hält er darin fest, dass der Text "ein Entwurf ist, der noch mit der Redakteursvertretung und dem Zentralbetriebsrat beraten wird", heißt es in dem der APA vorliegenden Schreiben: "Darüber hinaus bin ich für Anregungen im Hinblick auf Formulierungen dankbar."
"Das Ziel des Entwurfes ist es, auf Basis auch internationaler Vorbilder die Grundsätze des ORF-Gesetzes und der Programmrichtlinien zur Sicherstellung der Objektivität und Glaubwürdigkeit der ORF-Information auf Social Media Aktivitäten zu übertragen", betont der Generaldirektor in dem Mail. "Zeitungsmeldungen, dass durch diesen Entwurf der kritische, unabhängige öffentlich-rechtliche Journalismus im ORF eingeschränkt werden soll, sind absurd und entbehren jeder Grundlage."
In der zweiten Julihälfte werde es Gespräche mit Betriebs- und Redakteursrat geben, kündigte Wrabetz gegenüber der APA an. "Dann wird man sehen, wie so eine Empfehlung an die Mitarbeiter aussieht." Den Vorwurf, dass ORF-Journalisten verboten werde, Kritik zu üben, lässt er nicht gelten: "Wenn man sich kritisch mit Fragen auseinandersetzt, muss man das so tun, dass nicht der Eindruck der Voreingenommenheit der journalistischen Arbeit im ORF entsteht. Das ist also eine Maßnahme, die den kritischen Journalismus im ORF absichern und nicht behindern soll."
Im Übrigen würden die Guidelines auch als "eine empfehlende Richtlinie ohne Sanktionen" ausgestaltet, betonte Wrabetz: Dass die journalistischen Vorgesetzten die Einhaltung "kontrollieren" sollen, "steht im zweiten Entwurf gar nicht mehr". Bei möglichen Verstößen seien keinerlei personalrechtliche Schritte wie etwa ein formeller Verweis in der Personalakte, vorgesehen.
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) meldete sich am Mittwoch im ORF-Streit zu Wort. Der Kanzler zeigte sich vom durchgesickerten Entwurf einer neuen Social-Media-Richtlinie für den ORF "mehr als nur überrascht" . Es handle sich zwar um eine "Angelegenheit des ORF", aber den "Erlass" sehe er "sehr skeptisch", betonte Kurz im Pressefoyer nach dem Ministerrat.
Vor allem der FPÖ-Stiftungsratschef Norbert Steger hat die Social Media-Richtlinie vehement verlangt. Die E-Mail des Generaldirektors hat es jedenfalls in sich. ORF-Mitarbeiter hätten „auch im privaten Umfeld zu verzichten“ auf „Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien“, die eine Meinung oder Haltung zu Parteien, Institutionen oder Akteuren artikulieren. „Im Zweifel“ sollten sie lieber gar keine Meinung äußern (s. u.).
Die E-Mail sorgte für einen Riesenwirbel – ORF-Mitarbeiter diskutierten das Papier heiß. Der "Standard" zitiert Betriebsratschef Gerhard Moser: „Erlässe dieser Art sind gegenstandslos, solange sie nicht mit der Belegschaft besprochen und verhandelt werden. Was hier vorliegt, scheint ein Kniefall des Generaldirektors vor den schwarz-blauen (…) Diktaten zu sein.“