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Kardinal Schönborn zum Moscheen-Streit

1-01-1970, 00:00

Wien. Für oe24.TV sprach Niki Fellner mit Kardinal Christoph Schönborn über das Verhältnis von Christen und Muslimen und den Kampf der türkis-blauen Regierung gegen den politischen Islam.

oe24.TV: Die Regierung hat Moscheen geschlossen und Imame ausgewiesen. Was sagen Sie dazu?

Christoph Schönborn: Ich glaube, der Islam ist in einer der tiefsten Krisen seiner Geschichte. Die Gründe dafür sind vielfältig und ich sage das nicht mit Häme oder von oben herab, sondern sehe eher gewisse Ähnlichkeiten mit der christlichen Geschichte. Es findet eine Radikalisierung statt und die ist sicher ein Symptom für die Spannungen innerhalb des Islam. Es ist wichtig, dass in Österreich Religionsfreiheit herrscht. Aber das bedeutet auch, dass der Staat Über­wachungspflicht hat und, dass die Religionsgemeinschaften ihre Religionsfreiheit nicht missbrauchen dürfen. Sie müssen sich an die Gesetze halten, und wenn sie nicht eingehalten werden, kann die Regierung auch einschreiten.

oe24.TV: Die ÖVP will das Ramadan-Fasten für schulpflichtige Kinder verbieten. Ist das nicht ein Eingriff in die Religionsfreiheit?

Schönborn: Ich finde es aus christlicher Perspektive sinnvoll, wenn manche Menschen hier nicht an die strenge Fastenregel gebunden sind. Wenn sie den normalen Unterricht unmöglich machen, dann wäre es sicher ein Grund zu fragen, ob das verantwortbar ist.

oe24.TV: Ist so was überhaupt durchsetzbar?

Schönborn: Man kann und soll hier nicht zum Essen zwingen, aber es braucht vernünftige Regeln. Das sind Grenzfälle, wo Religionsfreiheit und staatliche Intervention ein vernünftiges Maß finden müssen.

oe24.TV: Verstehen Sie, wenn viele Muslime in Österreich ­sagen, die Regierung verbreitet ein islamfeindliches Klima?

Schönborn: Wir Religionsgemeinschaften geben demnächst eine gemeinsame Erklärung ab, in der wir genau auf diese Grundwerte unseres Landes hinweisen. Dazu gehört der Respekt vorm Glauben anderer. Wenn Menschen deswegen diskriminiert werden, stimmt etwas nicht.

oe24.TV: Wie beurteilen Sie den das Verhältnis zwischen dem Christentum und dem ­Islam derzeit in Österreich?

Schönborn: Die Situation ist sicher schwieriger geworden. Das liegt auch an der weltpolitischen Lage, auch am Thema Migration. Es hat auch damit zu tun, dass beide Religionen, der Islam und das Christentum, missionarisch sind. Aber was heißt das, wenn zwei Religionen aufeinandertreffen, die Menschen gewinnen wollen? Gewalt in der Verbreitung einer Religion, auch das Christentum hat Gewalt angewendet, das ist nicht der Weg, den Jesus gewollt hat und den wir gehen sollen.

oe24.TV: Die Regierung verfolgt einen härteren Kurs in der Migrationspolitik. Passt das mit christlichen Werten zusammen oder geht die Bundesregierung derzeit zu weit?

Schönborn: Das eine ist die Situation von 2015. Dass hier eine Korrektur notwendig war, ist allen klar. Zum anderen, ist Asyl ist ein heiliges Recht. Asyl darf nicht zum Schimpfwort werden. Sorge macht mir schon, wenn die politische Linie wäre, dass ­Österreich international als ein Land gilt, das besonders garstig ist. Das war Österreich nie.

oe24.TV: Sehen Sie diese Gefahr derzeit?

Schönborn: Sie kann kommen. Es gibt ein Flüchtlingsrecht, das zu einer Demokratie gehört, die dieses Namens würdig ist. Ich vertraue darauf, dass wir ein Rechtsstaat sind und uns an die internationalen Verantwortungen halten. Was gefährlich ist, ist eher die Sprache. Ich verlange hier von der Regierung Behutsamkeit. Wenn Worte gewalttätig werden, ist das der erste Schritt zur Gewalttätigkeit im Tun. Da müssen wir wachsam sein.

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