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"Ich bin grundsätzlich ideologieskeptisch"

1-01-1970, 00:00

Wiens neue Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler (SPÖ) im ÖSTERREICH-Interview über ihre Pläne, was ihr persönlicher Antrieb ist und das Thema „Weltkulturerbe“.

ÖSTERREICH: Sie waren die große Überraschung im Team-Ludwig. Für sie selbst auch?

Veronika Kaup-Hasler: Natürlich. So was kann man nicht planen. Es war ein wunderbarer Überfall, der mich in Athen erreicht hat. Als der Anruf Michael Ludwigs kam, musste ich mich geistig erst auf Wien einstellen. Als er mich gefragt hat, ob ich für die Stadt Wien arbeiten will, musste ich erst einmal lachen. Aber er hat das ernst gemeint und meine Tätigkeit offensichtlich seit Jahren verfolgt. Zeit für ein längeres Gespräch war aber nicht, drei Tage später war schon die Pressekonferenz geplant. Drei Stunden hatte ich Zeit, eine halbe habe ich gebraucht, um freudig „ja“ zu sagen

ÖSTERREICH: Parteimitglied sind Sie ja nicht. Wie stark ist die Verbindung zur SPÖ?

Kaup-Hasler: Es gab keine. Ich kenne aus vielen Parteien engagierte Menschen. In der Steiermark hatte ich die ÖVP, die SPÖ  und auch die Grünen als Gegenüber. Man findet überall Menschen, die mit einem brennenden Herzen für die Kultur kämpfen und es gibt aber auch  Ignoranten. Kompetenz aber auch Ignoranz  sind gleichmäßig über dieses Land verteilt. Jetzt lerne ich viele Sozialdemokraten kennen und freue mich über deren Engagement für diese Stadt und ihre Menschen

ÖSTERREICH: Ihre Berufung war aber überraschend.

Kaup-Hasler: Die SPÖ hat durch die ungewöhnliche Tat, jemanden von außen, aus der Zivilgesellschaft, zu holen, ein starkes Signal gesetzt..

ÖSTERREICH: Und was ist Ihr persönlicher Antrieb?

Kaup-Hasler: Ich sehe das gar nicht so anders als in meiner Tätigkeit als Kulturarbeiterin. Mir ging es auch als Intendantin immer darum, Künstlerinnen und Künstlern Raum für ihre Arbeiten zu geben. Jetzt passiert das für ein viel größeres Feld, aber es geht um dieselben Fragen.

ÖSTERREICH: Und zwar welche?

Kaup-Hasler: Was braucht diese Stadt, um weiterhin als Weltkulturstadt nach außen zu strahlen? Wie können wir diese Stadt in ihrer Vielfältigkeit weiter fördern? ­­­Von klassischer und alter  Musik bis hin zu zeitgenössischen, interaktiven und interdisziplinären Aktivitäten in allen Bereichen der Kunst. Auch Musical und Volkskultur sind sehr stark in Wien verankert. Diesen großen Bogen adäquat zu fördern, ist eine schöne und kreative Herausforderung.

 

Kaup-Hasler© TZOE/Artner
Kaup-Hasler im Interview mit ÖSTERREICH-Reporter Patrick Fischer.

ÖSTERREICH: Würden Sie da Andreas Gabalier oder Helene Fischer mit Konzerten auch in ihrem Ressort sehen?

Kaup-Hasler: Es gibt Dinge, die funktionieren so gut als Business, die muss man nicht finanzieren. Man muss fördern, was es schwer hat und was es zu entdecken gilt.

ÖSTERREICH: Wie schauen ihre Pläne für die Wiener Kultur aus?

Kaup-Hasler: Ich bin grundsätzlich ideologieskeptisch. Wir müssen Kunst, Kultur und Wissenschaft mit Respekt behandeln und auf die Bevölkerungssituation eingehen. Es kann nicht sein, dass es nur eine Frage eines gewissen Bürgertums ist. Dazu habe ich zu viele Visionen, wie eine offene  Gesellschaft aussehen muss.

ÖSTERREICH: Also hin zu den Menschen?

Kaup-Hasler: Wir müssen die Dynamik der Stadt mitdenken und mit Kultur nicht nur in den inneren Bezirken bleiben.

ÖSTERREICH: Sie haben ja auch mit durchaus streitbaren Persönlichkeiten gearbeitet. Beim Stichwort Schlingensief oder Jelinek kriegen manche heute noch Schnappatmung. Wird es weiter Aufreger geben? Muss das sogar sein?

Kaup-Hasler: Die Politik liefert selbst dauernd Aufreger. Der Skandal ist oft dort und weniger in der Kunst. Aber der Skandal als solcher ist kein Anliegen zeitgenössischer Kunst, das ist uninteressant. Das war einmal so als Reaktion auf eine restriktive Gesellschaft. Kunst findet immer neue Mittel, den Finger auf die Wunden der Gesellschaft und der Zeit zu legen und provoziert oft ungewollt, weil sie das tut. Das ist aber wichtig. Kunst, Kultur und Wissenschaft sind für mich Erkenntnisräume, die öffentlichen Raum weit aufmachen und dem Diskurs und dem Dialog, der stattfinden muss, Raum geben. Wir müssen nicht einer Meinung sein, aber alles daran setzen, dass Austausch möglich ist.

ÖSTERREICH: Sie werden viel mit Kulturminister Blümel zu tun haben. Da haben Sie sicher mehr Expertise. Gab es schon Kontakt?

Kaup-Hasler: Ich teile gerne Expertise und   hoffe sehr auf eine gute Zusammenarbeit. Bei seinen vielen Ressorts hoffe ich,dass er sich im notwendigen Maß um Kunst und Kultur kümmern kann. Es gab schon ein sehr gutes Gespräch und ich bin sicher, dass sich der Bund der Verantwortung bewusst wird, in dieser Stadt seinen Beitrag zu leisten, damit Wien besonders bleibt.

ÖSTERREICH: Sie waren viele Jahre auch als Kulturschaffende aktiv. Ist es schwierig, sich jetzt von Bekannten und Freunden abgrenzen zu müssen?

Kaup-Hasler: Das ist, wie wenn sie einen Naturwissenschaftler fragen, ob er Wissenschaftsministerwird. Wenn man einen Experten holt, muss man damit rechnen, dass der Mensch gut vernetzt ist. Ich habe immer professionell agiert und dieses professionelle Denken ist unkorrumpierbar. Es geht nicht um Freundschaften, sondern um Settings und strukturelle Überlegungen.

ÖSTERREICH: Kunst ist oft auch streitbar. Muss sie auch politisch sein?

Kaup-Hasler: Kunst ist autonom. Es ist ihr grundsätzlich alles erlaubt und nichts verboten, solange sie nicht die Grenzen des Gesetzes überschreitet. Jeder von uns ist ein politisches Wesen und agiert auch so. Es ist schon eine politische Entscheidung, ob man als Vater in Karenz geht und es möglich ist, neben einer Familie zu arbeiten.

ÖSTERREICH: Kunst kann die Gesellschaft beeinflussen?

Kaup-Hasler: Immer. Kunst war immer ein Motor gesellschaftlicher Veränderungen. Deshalb sind die Provokationen, die sie mit sich bringt, ein essentieller Bestandteil der demokratischen Zivilgesellschaft. Das muss man fördern, dem muss manRaum geben, so gut es geht.

ÖSTERREICH: Ein großes Thema momentan ist Migration. Muss das in der Kunst auch aufgegriffen werden?

Kaup-Hasler: Alles, was diese Stadt ausmacht, prägt auch Kunst und Kultur. Das muss auch so sein, bei der Bandbreite der Migration. Aber Migration ist kein neues Thema, sondern Bestandteil des genetischen Codes Europas. Das weiß man, wenn man sich ein bisschen mit Geschichte befasst. Es gab immer Menschen, die von irgendwo geflohen sind, weil die Situation in ihren Heimatländern aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr tragbar war. Mein Plädoyer wäre es, sich mehr in die Geschichte dieses bewegten Kontinents zu begeben. Wir kommen alle irgendwoher und gehen irgendwohin. Ganz Amerika besteht aus europäischen Migranten.

ÖSTERREICH: Unzählige Juden mussten vor dem Holocaust aus Österreich fliehen und kamen später zu Weltruhm in Kunst und Wissenschaft. Könnte heute eigentlich viel Potenzial einwandern? Und kann die Kunst einen Beitrag leisten, das abzurufen und zu fördern?

Kaup-Hasler: In einem entwickelten Land, müssen wir  akzeptieren, dass es zunehmend internationalisiert wird. Das wäre ein großartiger Perspektivenwechsel, nicht immer von Belastung und Not, sondern von unglaublichem Potenzial und Intelligenz, zu sprechen. Das heißt aber auch, und dafür werde ich mich immer stark machen, dass wir in Sprachkenntnisse investieren müssen und in ein verstärktes Betreuungsverhältnis, um das Potenzial zu entdecken. Im Steirischen Herbst haben wir 15 Jugendliche zu Ausstellungsführern ausgebildet und die Inhalte der Ausstellung, d.h. was sie dem Publikum in ihrer jeweiligen Landessprache sagen können, gemeinsam erarbeitet..Das hatte zur Folge, dass ganz andere Menschen dieses Museum besuchtenundSchwellen überschritten. So kleine utopische Momente sollten in allen Bereichen, also auch in Wissenschaft und Kunst, möglich sein. 

ÖSTERREICH: Ein anderes Thema, dass sie betreffen wird, ist das Weltkulturerbe.

Kaup-Hasler: Dieses Thema liegt eigentlich nicht unmittelbar in meinem Bereich. . Aber die Stadt entwickelt sich dynamisch und wir werden gut daran tun, das Label Weltkulturerbe aufrecht zu erhalten – mit den notwendigen Investitionen und Neuerungen. Paris hat diesen interessanten Spagat zum Beispiel geschafft, ein großartiges Erbe zu haben und gleichzeitig moderne Dinge entstehen zu lassen. Gerade unter Mitterand. Etwa die  Cité de la Musique oder das Institut du Monde Arabe. Die sind jetzt Teil des Stadtbildes und sind durch ihren Mut und die große Setzung unverwechselbare Leuchttürme geworden.

ÖSTERREICH: Das Wien Museum liegt aber bei Ihnen – und ist umstritten.

Kaup-Hasler: Die großen Debatten und Entscheidungen sind vorbei. Die Finanzierung ist durch, beim nächsten Gemeinderat wird die Flächenwidmung beschlossen – sie ist die Voraussetzung für   den Baubescheid. Ich werde mich mit allen wesentlichen Playern an einen Tisch setzen, um eine professionelle Ausschreibung zu gewährleisten. Es muss extrem exakt gearbeitet werden, auch mit Kenntnis von außen etwa bei der Bauleitung. Diese Frage ist ganz entscheidend. Es ist mir ein großes Anliegen, äußerst sorgfältig und umsichtig mit Steuergeldernumzugehen..

ÖSTERREICH: Ein anderes Projekt ist die Donaubühne. Auch die wird sie stark betreffen.

Kaup-Hasler: Eine schöne Idee, die als Idee abgesegnet worden ist, aber noch in den Kinderschuhen steckt. Wir wollen ressortübergreifend arbeiten, analysieren, was sie können sollte. Damit diese Idee auch  wirklich im bestmöglichen Rahmen realisiert werden kann. Aber das braucht erst mal Zeit

ÖSTERREICH: Aber sie hat Potenzial, oder?

Kaup-Hasler: Jede Idee hat Potenzial. Auch diese. Es ist ein Zeichen des Bürgermeisters, dass er Interesse hat, in den bevölkerungsstarken Bezirken Kunst- und Kulturinstitutionen anzusiedeln.

ÖSTERREICH: Auch die Wissenschaft liegt bei Ihnen. Wie bewerten Sie Wien hier als Standort?

Kaup-Hasler: Ich glaube, dass Wien ein ganz wichtiger Standort für Wissenschaft ist. Ich war ja selber zehn Jahre lang als Unirätin an der Universität für Musik und darstellende Kunst, danach kurz  an der Akademie der bildenden Künste und habe vor Jahren auch dort Dramaturgie für Bühnenbildner unterrichtet. Wien hat auch in klassischen Wissenschaften großes Potenzial.

ÖSTERREICH: Das ist aber nicht billig.

Kaup-Hasler: Es ist ein Feld, in das permanent investiert werden muss. Wir hinken da etwa der Schweiz deutlich hinterher, die teilweise sogar vor England ist. Man muss die besten internationalen Kräfte verführen, sich in Wien anzusiedeln und Abwanderungstendenzen entgegenarbeiten. Das hat immer mit Ausstattung und Ressourcen zu tun und einem klaren Bekenntnis zur Grundlagenforschung. Also Wissenschaft, auf deren Basis später Anwendungsformen entstehen.

ÖSTERREICH: Mit welchem Satz soll man die Politikerin Veronica Kaup-Hasler einmal beschreiben?

Kaup-Hasler: Das war eine, die fröhlich schon zu Lebzeiten auf ein Ehrengrab verzichtet und trotzdem Großes für die Menschen der Stadt geleistet hat. Und eine große Brückenbauerin, die zwischen unterschiedlichen Welten, die vermeintlich verschlossen sind, und eine Öffnung von Kunst, Kultur und Wissenschaft für die Bevölkerung geschaffen hat.


Interview: Patrick Fischer

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