Viermal lebenslang hat Staatsanwalt Gabor Schmidt am Donnerstag für die Hauptangeklagten im Prozess um den Tod von 71 Flüchtlingen, die im August 2015 in einem Lkw bei Parndorf entdeckt worden sind, gefordert. Für drei der vier Hauptangeklagten will Schmidt die Höchststrafe ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung, wie er im Schlussplädoyer ausführte.
Für den Zweitangeklagten- den Stellvertreter des Kopfes der Organisation - will die Anklage ebenfalls lebenslänglich, allerdings mit der Chance, das Gefängnis noch einmal verlassen zu können. Der Staatsanwalt begründete die Forderung nach Höchststrafen mit dem vorsätzlichen, rechtswidrigen Eigennutz bei der organisierten, gewerbsmäßigen Schleppertätigkeit, mit dem Ziel der Bereicherung in einer kriminellen Organisation sowie mit der Tat des Mordes an mehreren Menschen - unter ihnen mehrere Minderjährige unter 14 Jahren. Diese Taten seien mit besonderer Brutalität erfolgt. Auch gebe es im Falle des Erst-, Dritt- und Viert-Angeklagten keine Chancen auf Resozialisierung. Für die übrigen Angeklagten wurden je nach der Schwere der Tat Strafen zwischen einem und 16 Jahren beantragt.
Die ersten vier Angeklagten seien verantwortlich für die Tragödie. Sie hätten die Menschen absichtlich in den Tod geschickt, stellte Staatsanwalt Gabor Schmidt in seinem Plädoyer am Donnerstag beim Prozess in Kecskemet klar.
Schlepper versuchten sich selbst Schuld zuzuschieben
Die vier Männer - ein Afghane, der mutmaßliche Kopf der Bande, und drei Bulgaren, von denen einer als Chef der Schlepperfahrer, einer als "Vorläufer" und einer als Lenker des Todes-Lkw gilt - hätten laut Ankläger versucht, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Deren Aussagen, sie hätten weder gewusst, wie viele Menschen im Laderaum seien, noch dass Kinder darunter waren, würden Abhörprotokolle widerlegen, führte Schmidt weiter aus.
Der Transport sei vom Erst-, Zweit- und Drittangeklagten begleitet worden. Als der Lenker Klopfen und Schreie aus dem Laderaum meldete, habe ihn der Chef der Schlepperfahrer beruhigt: Die Flüchtlinge würden Löcher in die Wände schlagen wollen, er müsse sich keine Sorgen machen. Die Polizei in Österreich hat keine Werkzeuge gefunden, mit denen das möglich gewesen wäre, berichtete der Ankläger.
"Eindeutig nachweisbar" ist der Befehl des Erstangeklagten, trotz des Klopfens und der Schreie nicht anzuhalten, so Schmidt. Zugleich betonte er, das würde die Bulgaren jedoch nicht entlasten, da sie Entscheidungsfreiheit hatten. Die Angeklagten hätten außerdem gewusst, dass der Lkw nicht für den Transport von Menschen geeignet war. Der Staatsanwalt dankte den österreichischen Behörden für die Identifizierung der Opfer, die nach einhelliger Meinung ungarischer und österreichischer Experten qualvoll erstickt sind.
Am 11. Juni wird der Prozess mit den Plädoyers der Verteidiger fortgesetzt. Weiters sollen die Angeklagten von ihrem Recht des letzten Wortes Gebrauch machen können. Am 14. Juni sollen laut Ankündigung des Richters die Urteile gesprochen werden.