Der albanische Ministerpräsident Edi Rama sieht die Anzahl der ankommenden Flüchtlinge in Albanien steigen. Im Jänner seien 162 illegale Flüchtlinge gekommen, im Mai seien es 2.311 gewesen, sagte Rama am Mittwoch nach einem Arbeitsgespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), bei dem die Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Herausforderungen der Migration besprochen wurde.
Verglichen mit 2015 sei dies eine kleine Zahl, aber ein "beunruhigendes Zeichen", sagte der Ministerpräsident, der das gute Wetter als Faktor für die Zunahme nannte. Bisher habe man diesen "Flüchtlingsstrom" mit internen Kräften bewältigen können, so Rama. Doch damit die Fehler des Jahres 2015 nicht nochmals gemacht werden, sollte sich Europa vorbereiten, bevor sich die Lage weiter verschlechtere. Kurz und Rama sehen beide eine neue Fluchtroute - von Griechenland über Albanien Richtung Mitteleuropa - im Entstehen.
Albanien will Österreichs "legitime Erwartungen" erfüllen
Er habe daher mit Kurz die notwendige Unterstützung besprochen, die Albanien brauche, um mit den Anforderungen fertig werden zu können und den "legitimen Erwartungen Österreichs und Deutschlands zu entsprechen", sagte Rama. Man wolle nicht, dass die nach Albanien kommenden Menschen "nur von einer Grenze zur anderen befördert werden", sondern dass diese würdevoll behandelt werden.
"Wir sind bereit, im Rahmen dieser Zusammenarbeit alle unsere Ressourcen bereitzustellen, damit einerseits die Sicherheit der Grenzen gewährleistet werden kann und andererseits eine humane, respektvolle Behandlung aller Menschen möglich ist", sagte Rama, und zeigte sich diesbezüglich optimistisch: "Ich glaube, dass wir alle Möglichkeiten und Ressourcen haben, um zu verhindern, dass eine Situation wie 2015 noch einmal eintritt."
Der Bundeskanzler dankte Rama für die Bereitschaft, gegen die illegale Migration anzukämpfen und gegen das Geschäft der Schlepper vorzugehen. Ein Weiterwinken von Grenze zu Grenze mache Probleme nicht kleiner, sondern größer, sagte Kurz. Es brauche "ordentliche Grenzsicherheit", so Kurz.
Finanzielle Unterstützung Albaniens aus EU soll vorangetrieben werden
Österreich werde sich daher zum einen für finanzielle Unterstützung von europäischer Seite für Albanien und für die anderen Staaten entlang der neu entstehenden Route einsetzen, versprach der Kanzler. Zweitens werde man Albanien auch bilateral unterstützen. Die Innenminister haben bereits Kontakt aufgenommen und es werde Austausch auf Expertenebene geben, wie Österreich die albanischen Behörden vor Ort bestmöglich personell und mit Ausrüstung unterstützen könne.
Der Bundeskanzler bekräftigte auch seine Haltung bezüglich der Annäherung der Westbalkanstaaten an die EU. "Wir unterstützen alle Staaten des Westbalkans inklusive Albaniens bei der Annäherung an Europa und sind froh, dass die notwendigen Reformen in den Westbalkanstaaten Schritt für Schritt vorangetrieben werden." Im Integrationsprozess sieht Kurz den "Reformmotor" für den Westbalkan. "Das ist auch der Kitt zwischen den Staaten in einer Region, in der es ja nach wie vor leicht Spannungen aufgrund von verschiedenen Religionen oder Ethnien geben könnte", sagte Kurz. Stabilität am Balkan bedeute auch "ein Mehr an Sicherheit und Stabilität in Ländern wie Österreich".
Kurz will Skeptiker in der EU überzeugen
Skeptiker innerhalb der EU will der Kanzler überzeugen: "Es gibt hier einige Mitgliedstaaten in der Europäischen Union, die aufgrund ihrer internen politischen Situation hier einen anderen oder kritischen Blick auf die Dinge haben, aber wir sind hier ein Partner Albaniens und der Westbalkanstaaten, diese in der Europäischen Union noch zu gewinnen und zu überzeugen", sagte Kurz, ohne Länder zu nennen.
Auf die Frage, ob während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes Beitrittsverhandlungen mit Albanien eröffnet werden, antwortete der Kanzler, dass er dafür noch keine eindeutige Sicherheit geben könne. Albanien sei auf einem sehr guten Weg, das habe auch die Kommission festgestellt. "Und ich glaube, das ist das, was zählt", so der Kanzler.
Ministerpräsident Rama lobte die kontinuierlichen Fortschritte in der bilateralen Zusammenarbeit wirtschaftlicher Natur und im Handel, dank des Beitrags von Österreich. "Wir stellen auch wichtige Fortschritte bei der Verbesserung der Beziehungen innerhalb unserer Region fest", sagte der Ministerpräsident. Vom EU-Vorsitz erwarte man Unterstützung, um die Zusammenarbeit bei Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes auf dem Westbalkan zu vertiefen.