"Die Flügel heben" - das war einer der zentralen Leitsprüche von NEOS-Chef Matthias Strolz und sein Anliegen. Seine eigenen Flügel in der Politik senkt er nun und tritt von der Spitze der von ihm gegründeten Partei zurück. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo die Partei erfolgreich ist und in Salzburg vor dem Einzug in die erste Landesregierung steht. Unter Tränen dankte Strolz dem "konstruktiven Mitbewerb, bei meinen Mitstreitern und bei meiner Familie. Für meine Familie war das nicht immer leicht." Was er in Zukunft machen will, ließ Strolz bewusst offen: "Ich brenne für meine Heimat Österreich, aber auch für Europa. Diese Vision wird mich weiter beschäftigen. Ich habe bereits einige Buchprojekte in meinem Kopf. Ich freue mich sehr auf die nächste Lebensetappe. Insbesondere freue ich mich auf mehr Zeit für meine Familie und meine Freunde."
Zehn Jahre waren geplant
Eigentlich hatte sich Strolz eine Spanne von zehn Jahren für die Politik vorgenommen. Da befindet er sich jetzt gerade erst etwas über der Mitte. Aber nicht nur für sich selbst, sondern für alle Politiker plädierte der NEOS-Chef für eine Amtszeitbeschränkung. Regierungsmitglieder sollten maximal zwei Perioden und Abgeordnete maximal drei Legislaturperioden im Amt sein. Strolz selbst befindet sich als Abgeordneter gerade erst am Beginn seiner zweiten Legislaturperiode.
Mit seinem Rückzug bringt Strolz seine Partei, die er nicht nur selbst gegründet, sondern auch aufgebaut hat, in die Bredouille. Er ist nicht nur das nach außen bekannte Gesicht der NEOS, er steht auch als Person für die liberale Oppositionspartei. Ob die NEOS nun auch ohne ihren Leitwolf den Erfolgslauf fortsetzen können, ist zumindest fraglich.
Erfolgreiches Jahr
Heuer hat die Partei drei von vier Landtagswahlen erfolgreich geschlagen. Nur in Kärnten wurde der Einzug in den Landtag verpasst, in Niederösterreich, Tirol und Salzburg gelang der Einzug. In Salzburg stehen sie sogar vor ihrer ersten Regierungsbeteiligung, gemeinsam mit der ÖVP und den Grünen führen sie dort gerade Koalitionsverhandlungen. Insgesamt sind die NEOS damit bereits in fünf von neun Landtagen vertreten. Bei der Nationalratswahl im vergangenen Herbst haben die Liberalen im Gegensatz zu den Grünen den Einzug ins Parlament neuerlich geschafft.
Strolz polarisiert. Aber egal ob man ihn mag oder nicht, kaum jemand wird abstreiten, dass der 44-jährige Vorarlberger das Energiebündel der österreichischen Innenpolitik ist. Ohne diese Explosivität wäre es freilich kaum möglich gewesen, vor fünf Jahren aus dem Stand eine liberale Truppe aus der Taufe zu heben, die wenig später gegen alle Wahrscheinlichkeiten den Sprung in den Nationalrat schaffte und sich seither gut etabliert hat.
Geboren in Bludenz, aufgewachsen in Dalaas, hat sich der Vorarlberger eine Bodenständigkeit bewahrt, die ihn über selbst ernannte Eliten hinauswirken lässt. Was Strolz in der österreichischen Politik so einzigartig macht, ist, dass er sich für wenig geniert. Ob er jetzt Gedichte über Kastanien publiziert, über das Bäume-Umarmen philosophiert oder opulente Wortbilder produziert, der NEOS-Chef bleibt authentisch, auch wenn er manchmal an einen Sektenführer erinnern mag. Auch mit politischen Aussagen schwimmt er nicht immer mit dem Strom, etwa wenn er angesichts des steigenden Einflusses des Islam vor einem Bürgerkrieg warnte.
"Flügel heben"
Aus dem Nichts kommt das natürlich nicht. Strolz, der schon Vorarlberger Landesschulsprecher war und für die VP-nahe AG an der Uni Innsbruck Vorsitzender der örtlichen Hochschülerschaft war, ist gelernter Coach. Motivation ist seine Sache, "Mutmacher" will er sein, den Kindern die "Flügel heben", "Chancen-Gespräche" führen etc., etc., etc.
Sein Glück ist, dass er sich bei aller Ein- und Aufdringlichkeit eine Art kindlichen Charmes bewahrt hat. Dass er seiner Frau den Heiratsantrag bei einer Polsterschlacht gemacht hat, glaubt Strolz jeder, egal ob es tatsächlich stimmt. Das Paar hat mittlerweile drei Töchter, Strolz ist ihr stolzer Vater, auch wenn er vermutlich nicht so viel Zeit für seine Kinder aufbringen konnte, wie er wollte.
Denn seit der Parteigründung war Strolz, der einst im Büro des heutigen Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf (ÖVP) das politische Handwerk gelernt hatte, ein Dauer-Getriebener. Sich im Parlament zu etablieren, ist schon keine leichte Übung. Dann waren aber auch noch diverse Wahlen zu bestreiten, obwohl die Strukturen vor allem in den Ländern fehlten. Einzelnen kleineren Erfolgen bei der EU-Wahl, in Wien und Vorarlberg standen zunächst auch Pleiten gegenüber - etwa in Oberösterreich und der Steiermark - ehe im Vorjahr der Wiedereinzug ins Parlament glückte.
Zur Person: Matthias Strolz, geboren am 10. Juni 1973 in Bludenz, verheiratet, Vater von drei Töchtern, Doktor der Wirtschaftswissenschaften. Landesschulsprecher in Vorarlberg, Vorsitzender der ÖH an der Uni Innsbruck. Ab 2001 Unternehmer, 2012 Gründer und Vorsitzender der Partei NEOS. Seit der Nationalratswahl 2013 Abgeordneter zum Nationalrat und Klubobmann der NEOS.