Das von der Regierung geplante Kopftuchverbot in Kindergärten und Schulen hat die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) dazu veranlasst, Zahlen zu erheben. Nicht einmal 15 Prozent der Mädchen seien in den islamisch-konfessionellen Volksschulen betroffen, sagte Präsident Ibrahim Olgun im APA-Interview. Unterstützung erhofft er sich durch die Jüdische Gemeinde, zu der er vermehrt den Kontakt sucht.
Nach wie vor stellt sich die IGGÖ vehement gegen das Kopftuchverbot. "Es ist sehr unverständlich, sehr bedauerlich, dass die Politik versucht, sich in unsere Angelegenheiten einzumischen", meint Olgun weiter und: "Solange so ein Verbotsgesetz nicht verabschiedet wird, sind wir immer bereit für Gespräche." Finde man keine Lösung, "bleibt uns nichts anderes übrig als alle rechtlichen Mittel zu nützen", was bis zum Europäischen Menschengerichtshof (EGMR) reichen könne.
Politische Diskussion über Kopftuch "Scheindebatte"
Ohnehin sei die politische Diskussion über Kopftücher für Kinder eine "Scheindebatte", was die internen Zahlen der IGGÖ belegten. Die Zahlen seien "für uns nicht überraschend" und hätten laut Olgun bewiesen, "dass es eigentlich kein Thema ist". Die Hälfte der Trägerinnen in den konfessionellen Volksschulen würden zudem nur gelegentlich auf das Kleidungsstück zurückgreifen, die Mehrheit erst ab der dritten und vierten Klasse.
Olgun schließt aus den internen Zahlen zu den Kopftuch-Trägerinnen auch auf die Allgemeinheit: "Wenn das in unseren islamischen-konfessionellen Schulen der Betrag so wenig ist, wie kann es sein, dass es in den allgemeinen öffentlichen Schulen so viel mehr ist?" Zwang durch die Eltern gebe es lediglich in Einzelfällen, die stets durch den innermuslimischen Diskurs gelöst würden. Auch verbiete man wegen alkoholisierter Autofahrer auch nicht generell das Autofahren, meint der IGGÖ-Präsident.
Olgun hofft auf Solidarität anderer Glaubensgemeinschaften
Auch hofft Olgun in der Debatte auf die Solidarität anderer Glaubensgemeinschaften, wie etwa der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG). Mit deren Präsidium habe es "in letzter Zeit einige gute Gespräche" gegeben, um über Probleme, aber auch Gemeinsamkeiten zu sprechen, bestätigt Olgun. Geeinigt habe man sich auf die Bildung eines Arbeitsteams, das gemeinsame Projekte erarbeiten soll, wo man sich noch mehr annähern könnte.
Ein großes Thema beim islamisch-jüdischen Dialog soll laut Olgun der zum Teil existierende Antisemitismus sein, wobei Olgun hier ein Generalverdacht gegen die Muslime sieht. "Ich kann sagen, dass die absolute Mehrheit der Muslime in Österreich grundsätzlich nicht judenfeindlich ist", meint er. Antworten könne man darauf mit gemeinsamen Aktivitäten, wie Besuche in ehemaligen Konzentrationslagern oder eine "Imame- Rabbiner-Konferenz".
IGGÖ-Präsident wünscht sich mehr Kontakt zu Asylwerbern
Ein vermehrtes Aufkommen anti-jüdischer Ressentiments ortet Olgun vor allem bei einer Gesellschaftsgruppe: "Wir gehen davon aus, dass durch die Flüchtlingswelle, vor allem bei den jungen Flüchtlingen, dieses Gedankengut vielleicht hineingetragen worden ist nach Österreich." Nicht nur darum wünscht sich der IGGÖ-Präsident mehr Kontakt zu Asylwerbern, was bisher nur etwa durch Essens-Aktionen während des Fastenmonats Ramadan geschehe.
Nicht vom Tisch ist auch die Gründung einer eigenen muslimischen Hilfsorganisation nach Vorbild der katholischen Caritas oder der evangelischen Diakonie. "Wichtigere Bereiche" und "unerwartete Probleme" hätten dies aber verzögert. Dabei gehe es nicht darum, eine parallele Struktur zu bilden, sondern die Last von anderen Organisationen zu nehmen, betont Olgun. Zugutekommen solle eine solche Organisation nicht nur Muslimen, sondern allen Hilfsbedürftigen.