Seit knapp einem Jahr ist Sebastian Kurz der neue Parteichef der ÖVP. Ein Jahrestag, den seine türkis gewordenen Schwarzen – er hat sie handstreichartig umgefärbt – gebührend feiern wollen. Ein Buch – ein Jahr „neue Volkspartei“ – wird von der Politischen Akademie zu diesem Anlass herausgegeben.
Am 10. Juni findet wiederum das türkise Sommerfest statt. Und bei seinen Jüngern wird Kurz tatsächlich bejubelt wie ein kleiner Messias. „Wir lagen im Mai 2017 bei 20 Prozent, jetzt sind wir Kanzler“, sagen sie.
Wende. Vor einem Jahr – am 11. Mai trat Reinhold Mitterlehner zurück, am 12. Mai erklärte Kurz, dass er Neuwahlen anstrebe, am 14. Mai wurde er vom VP-Vorstand zum Parteichef nominiert – ließ Kurz die rot-schwarze Koalition platzen.
Die Wende – Kurz eroberte bei der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 Platz 1 für die ÖVP und regiert nun mit der FPÖ – hat er bereits vollzogen. Mit eiserner Konsequenz und einem ausgeprägten Hang zur Kontrolle löst er bei einigen deutschen Medien Begeisterungsstürme aus. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel dürfte ihn distanzierter sehen. Sein Pakt mit der FPÖ bleibt in Teilen der EU nicht unumstritten. In sein Regierungsteam hat er hauptsächlich Quereinsteiger oder Vertraute geholt und die Forderungen der Bünde ignoriert. Er will das Land umbauen.
Die ÖVP-Landeshauptleute lassen ihn schalten und walten. Zugriff auf Länderentscheidungen – das zeigten zuletzt Tirol, Kärnten und Salzburg – geben sie ihm aber auch nicht. Seine Zuwanderungspolitik bleibt hart, sein Stil populär.
Die von Kurz geplante Zusammenlegung der Krankenkassen könnte zum (kalkulierten) Kräftespiel mit den Kammern werden. Die SPÖ wirft Kurz eine „Orbánisierung“ des Landes vor. Die FPÖ ist überglücklich, mit „Wunderkind“ Kurz regieren zu können.
Am 9. Juni fliegt Sebastian Kurz zum ersten Mal als Bundeskanzler zu einem Arbeitsbesuch nach Israel und wird dort erneut von Premier Benjamin Netanjahu empfangen werden. Während Israels Likud-Politiker Kurz durchaus wohlwollend sehen, verweigern sie nach wie vor offizielle Kontakte zur FPÖ. Blaue „Einzelfälle“ werden in Israel weiterhin registriert. Kurz betont, dass „Österreich eine besondere historische Verantwortung“ habe. Das will er auch bei einem Besuch in Yad Vashem bekräftigen. Begleitet wird er bei der Visite von VP-Bildungsminister Heinz Faßmann. „Unser Ziel ist es, die Beziehungen zu Israel weiter zu vertiefen, insbesondere im Bildungs- und Wissenschaftsbereich.“
Umfrage: Research Affairs, 1.005 Online-Interviews vom 26. 4. bis zum 2. 5.
An der Spitze ein Dreikampf mit einer souveränen ÖVP, einer SPÖ im Aufwind und einer FPÖ, die sich stabilisiert hat – das zeigt die aktuelle ÖSTERREICH-Umfrage (Research Affairs vom 26. 4. bis 2. 5., 1.005 Online-Interviews, maximale Schwankungsbreite 3,2 %).
Hinter diesem Dreikampf Kurz-Kern-Strache tun sich die übrigen drei Oppositionsparteien schwerer. Die Neos können ihre 7 % behaupten, die Grünen verlieren wieder, liegen mit 4 % genau an der Marke, die über den Sprung ins Parlament entscheidet – die Liste Pilz ohne Pilz ist mit 2 % weiter unter der Wahrnehmungsgrenze.
„Welcher Politiker ist Ihnen positiv/negativ aufgefallen?“ – Das Ergebnis berechnet sich nach dem Saldo der beiden Werte. Nur neun Spitzenpolitiker liegen hier im positiven Bereich.