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Kern: "Nochmals Kanzler, dafür lebe ich"

1-01-1970, 00:00

Der tägliche Talk FELLNER! Live auf oe24.TV mit ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner hatte am Mittwoch ein besonderes Highlight zu bieten: SPÖ-Vorsitzender Christian Kern war zu Gast im ÖSTERREICH-Newsroom – und das ist schlichtweg eine Sen­sation. Am Höhepunkt des Wahlkampfes im September 2017 hatte der SPÖ-Chef – damals war er noch Kanzler – einen Inseraten- und Interview-Boykott gegen ÖSTERREICH verhängt.

Der Grund: ÖSTERREICH hatte ein SPÖ-internes Strategie-Papier veröffentlicht, das auch mit dem Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten hart ins Gericht ging. Kern wird darin als zu empfindlich Kritik gegenüber („Glaskinn“) bezeichnet, ja sogar Allüren („Prinzessin“) unterstellte ihm der Autor, der dem früheren Kanzler Alfred Gusenbauer nahestand. Kern fand das gar nicht lustig – und ließ ÖSTERREICH boykottieren.

219 Tage. Exakt 219 Tage nach Ausrufung des Boykotts der Auftritt Kerns im oe24.TV-Studio. Zwar hatte der SPÖ-Chef bereits vor ­Wochen ein großes ÖSTERREICH-Sonntags-Interview gegeben, in dem er seine Kandidatur beim SPÖ-Parteitag im Herbst angekündigt hatte. Der Talk mit Wolfgang Fellner ist aber eine echte Premiere.


SPÖ ist noch nicht in der Opposition angekommen

Nur ein wirklicher Sieg. Die SPÖ hat zwar in den drei ersten Landtagswahlen dazugewonnen und in Kärnten mit Peter Kaiser sogar einen fulminanten Wahlsieg gelandet. In Salzburg allerdings sind die Roten auf 20 % heruntergerasselt. Und gegen die türkis-blaue Koalition mit Sebastian Kurz fällt Kern und Co. nicht so richtig ein wirksames Rezept ein: Die SPÖ kann zwar in den Umfragen ihr Nationalratswahlergebnis halten – von Platz 1 sind die Roten allerdings weit entfernt.

Dazu kommen jede Menge Hoppalas, die zeigen: So richtig sind Kern und die Seinen noch nicht in der Opposition angekommen. So hat Kerns SPÖ-Parlamentsklub den U-Ausschuss-Antrag zur Geheimdienstaffäre dermaßen versemmelt, dass es ÖVP und FPÖ leichtfiel, ihn scheitern zu lassen …


"Rücktritt? Kompletter Mumpitz, frei erfunden"

oe24.TV: Nach acht Monaten darf ich Sie wieder interviewen: Wie kam es denn zu dieser Interview-Sperre?

Christian Kern: Wir hatten einen Disput über eine Berichterstattung, die weit ins Persönliche ging. Wir haben uns im Gerichtssaal getroffen. Da hat die Richterin einen mäßigenden Einfluss gehabt.

oe24.TV: Da ging es um die Israel-Sache. Sie waren doch ursprünglich sauer, weil wir Mails abgedruckt haben, in denen Sie von eigenen Mitarbeitern attackiert wurden – als „Prinzessin“.

Kern: Diese Geschichten waren hochgradig unsinnig. Ich glaube aber, wenn ich besonders sensibel wäre, säße ich jetzt nicht hier bei Ihnen. Man muss auf der Brücke stehen, auch wenn einem der Wind ins Gesicht bläst. In­sofern berührt mich dieses Dossier gar nicht mehr.

oe24.TV: Das Kanzleramt ist futsch – das tut doch weh …

Kern: Die Wähler haben entschieden. Sebastian Kurz hatte schon eine Koalition mit der FPÖ geplant, als er mit uns in der Regierung saß. Das hat er minutiös vorbereitet.

oe24.TV: Sie wollten doch selbst vor einem Jahr Neuwahlen …

Kern: Das stimmt nicht ganz, es stand aber damals im Raum. Ganz klar. Aber mit Mitterlehner hab ich eine Vereinbarung gefunden. Meine Fehleinschätzung war, dass er nicht mehr in der Lage war, sie zu erfüllen. Jetzt schauen wir aber nach vorne.

oe24.TV: Sie haben schon am Wahlabend entschieden: Ich mache weiter?

Kern: Meine Freunde haben das für mich entschieden. Sie haben mich sehr aufgemuntert und sehr motiviert.

oe24.TV: Ein Wechsel zurück in die Wirtschaft stand nie zur Diskussion?

Kern: Ich hab eine wunderbare Aufgabe: den SPÖ-Vorsitz. Da werden Gerüchte erzählt, dass ich in die Wirtschaft wechsle. Kompletter Mumpitz, frei erfunden.

oe24.TV:
Sie treten im Herbst wieder als SP-Chef an?

Kern: Das ist fix.

oe24.TV:
Sie wollen zurück ins Kanzleramt. Dafür leben Sie.

Kern:
Absolut. Dafür arbeite ich – dafür tingle ich auch durchs Land.

oe24.TV: Sie haben als Oppositionschef eine blumige Sprache gewählt. So haben Sie über Kurz und Strache gesagt, zwei Besoffene stützen sich gegenseitig, damit sie nicht abstürzen. Was haben Sie damit gemeint?

Kern: Es war gemeint, dass die beiden keinen Plan haben, Österreich zu regieren.

oe24.TV: Sie nannten die ÖVP wirklich eine Führerpartei?

Kern:
Die Struktur ist auf ­einen zugeschnitten. Das ist natürlich kein Hinweis auf eine Nazi-Ideologie um Gottes willen. Sie ist aber nach dem Führerprinzip ausgerichtet.

oe24.TV: Kann Kurz Kanzler?

Kern: Die wichtigste Aufgabe eines Kanzlers ist, das Land zusammenzuhalten. Das ist schwieriger, als es zu spalten. Den Nachweis wird Kurz noch liefern müssen. Da gibt es Anzeichen, die mich beunruhigen.

oe24.TV: Sie meinen, da wird gespalten. Sie haben auch gesagt, das, was da passiert ist, war ein Rechtsputsch.

Kern: So ist das. Mich beunruhigt, dass diese Sündenbock-Suche so ausgeprägt ist. Wenn Gudenus sagt, ein Jude – George Soros – ist Drahtzieher der Flüchtlingswelle gewesen …

oe24.TV: … Rechtsputsch. Ein kräftiges Wort. Die sind ja demokratisch gewählt worden. Wo ist der Putsch?

Kern: Rechtsverschiebung meine ich. Ein Putsch ist natürlich etwas anderes.

oe24.TV:
Die Republik wird umgefärbt, das ist klar …

Kern: Antisemitismus ist eine ernste Sache. Das ist immer der Anfang. Wenn das Schule macht, dann rutscht die ganze Gesellschaft. Jeder Angriff auf unsere jüdischen Mitbürger ist ein Angriff auf uns alle. Egal ob er von Islamisten kommt oder von Rechtsradikalen.

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