Eine Performance, die perfekt in die heutige Gesellschaft und das von Festivalleiter Thomas Edlinger ausgegebene Motto “Endlose Gegenwart” passt, liefert Barbis Ruder: Die in Wien ansässige Künstlerin entwirft mit “#ilikemetoo” (ab 4. Mai im Forum Frohner), das Teil ihres mehrjährigen Projekts “Channeling” ist, ein scheinbar von allen geliebtes digitales Abbild. Sind viele von uns in den Sozialen Netzwerken auf der Jagd nach Likes und Shares, überspitzt die gebürtige Heidelbergerin dies, ruft im Vorfeld zur Beteiligung mittels Onlineumfrage auf und lässt Interessierte per Crowdfunding eigene Inhalte im Stück platzieren. Eine Lehrstunde, was die Gratwanderung zwischen Realität und Fake betrifft.
Kreuzzüge und Hashtags am Kremser Donaufestival
Wer Lust auf eine Exkursion hat, der ist bei Rudi van der Merwe gut aufgehoben: Bei “Trophee” (5. und 6. Mai), das im benachbarten Grafenegg aufgeführt wird, inszeniert der Choreograf einen Kreuzzug, wobei sich das Publikum im Parkgelände von Schloss Grafenegg keiner feindlichen Armee, sondern drei Performern in ausladender Kostümierung und mit weißen Gesichtsmasken gegenübersieht. Ihre Bewegungen erfolgen zu den Sounds von Beatrice Graf auf die vor den Besuchern platzierten Holzkreuze zu, bis die Grenze fällt und die Eroberung stattgefunden hat. Wer sich dem hingeben möchte, für den stellt das donaufestival Shuttlebusse bereit.
Deutlich intimer läuft “Blind Cinema” (5. und 6. Mai) ab: Das Kino im Kesselhaus wird hier zur Versuchsanordnung von Britt Hatzius, wenn das Publikum mit verbundenen Augen Platz nimmt und Kinder die Kontrolle übernehmen. Sie sind hinter den Festivalbesuchern platziert und flüstern ihnen ins Ohr, was auf der Leinwand zu sehen ist. Ein Gemeinschaftserlebnis ist schließlich auch “Passing through Metals” (5. und 6. Mai) von Oreet Ashery am Messegelände. Die israelische Künstlerin versammelt in der Halle 3 mehrere Dutzend Strickerinnen aus dem Raum Krems, die ihre Nadeln klicken lassen, sind diese doch an ein Soundsystem angeschlossen und damit akustisch verstärkt. Ergänzt wird der Klang durch eine Darbietung der Postpunk-Band Friends of Gas, womit Gitarren und Garn Hand in Hand gehen.
Wochenausklang mit James Holden und Mouse on Mars
Womit man schon beim Musikprogramm wäre: Das wartet zum Wochenausklang u.a. mit James Holden auf, der sich ursprünglich zwar im Technofeld einen Namen machte, mittlerweile aber kaum mehr auf eine Richtung festzunageln ist. Aktuell begleitet ihn die Formation The Animal Spirits, mit der er zwischen jazzigen Ausbrüchen, improvisiertem Schönklang und tanzbaren Beats changiert. Ein Auftragswerk ist hingegen “Parallel Persia”, das der iranische Produzent Ata Ebtekar alias Sote in der Minoritenkirche mit drei Kollegen an akustischem wie visuellen Instrumentarium zelebrieren wird.
Zum Mini-Schwerpunkt mit Künstlern aus dem Nahen Osten gehört auch die ägyptische Musikerin Nadah El Shazly, wobei die Endzwanzigerin einiges anzubieten hat. Klassische Instrumentierung, orientalische Klänge, westliche Einflüsse, eine volle, im Dunkel der oft melancholischen Sounds schwebende Stimme – ihr im Herbst 2017 erschienenes Debüt “Ahwar” bringt allerlei zusammen und gekonnt unter einen Hut. Alte Bekannte der Szene sind wiederum Mouse on Mars, in Krems zu Gast mit der neuen Platte “Dimensional People”. Für das deutsche Electroduo, das laut Ankündigung von “Special Guests” unterstützt wird, ist es nach einigen Jahren ohne Albumveröffentlichung ein kleines Comeback, wobei die Sehnsucht des Publikums keine kleine sein dürfte.
Finale in Krems mit achtstündigem (!) Musikprogramm
Und schließlich folgt zum Abschluss von Edlingers zweiter Festivalausgabe am Sonntag noch der große Paukenschlag: Einerseits gibt es unter dem Titel “as waves go by” im Forum Frohner ein achtstündiges (!) Musikprogramm von Künstlern wie Justin Walter, Rotten Bliss, Mit Händen und Füßen oder Big/Brave – ein kunterbuntes Sammelsurium an Klängen und Einflüssen, das die letztgenannte Band aus Kanada auch noch bei einem Soloauftritt zu späterer Stunde fortsetzt. Immer eine Wucht ist die britische Musikerin Scout Niblett, die brüchigen Folk mit Postpunk-Wut und einer großartigen Stimme kreuzt. Gleichermaßen charmant wie unberechenbar auch die US-Indie-Gruppe Deerhoof, bei der soeben Etabliertes höchst lustvoll sofort wieder über den Haufen geworfen wird.
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(APA/Red.)