Die von der Bundesregierung geplante Indexierung der Familienbeihilfe ist laut einer der APA vorliegenden Studie der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) mit geltendem EU-Recht nicht vereinbar. Vergangene Woche erinnerte bereits die EU-Kommission daran, dass der EU-Vertrag jegliche Diskriminierung - direkt oder indirekt - von Arbeitnehmern auf Grundlage der Nationalität verbiete.
Anfang Jänner hatte die schwarz-blaue Regierung einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes vorgelegt. Dadurch sollte die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder von in Österreich beschäftigten Eltern an die jeweiligen Lebenshaltungskosten im EU-Ausland angepasst werden. Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) verteidigte den Beschluss vor knapp drei Wochen im EU-Parlament, gestand aber ein, dass die Entscheidung im Endeffekt vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) getroffen werden würde.
Der vorliegende Ministerialentwurf verstoße gegen eine Reihe "zwingender unionsrechtlicher Bestimmungen", schreibt nun der Vorstand des Instituts für Europarecht an der Johannes Kepler Universität Linz, Franz Leidenmühler, der die Studie für die ÖGfE durchführte. Artikel 7 der mit 1. Mai 2010 in Kraft getretenen und in den EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar und gegenüber dem nationalen Recht vorrangig anwendbaren Verordnung 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates hebe alle Wohnortsklauseln auf und stehe somit einer nach Kaufkraft am Wohnort differenzierten Familienbeihilfe entgegen. Artikel 67 dieses Gesetzestextes formuliere zudem unzweideutig, dass "auch für Familienangehörige, die in einem Mitgliedsstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedsstaats [besteht], als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedsstaat wohnen würden."
Doch auch die zu den vier Grundfreiheiten zählende Arbeitnehmerfreizügigkeit stünde einer Indexierung der Familienbeihilfe entgegen, so Leidenmühler, da diese sämtliche (offene und versteckte) Diskriminierungen von Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedsstaaten verbiete. Ein Abstellen auf die Lebenshaltungskosten im Wohnsitzstaat der Kinder würde nämlich eine "versteckte oder faktische Diskriminierung darstellen".
Daher sei wegen "der offensichtlichen Unvereinbarkeit der Indexierung der Familienbeihilfe mit unterschiedlichen unionsrechtlichen Vorgaben" von einem nationalen Alleingang abzuraten, konstatiert Leidenmühler. Denn dies könnte zu einem Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU-Kommission führen, zudem könnten EU-Staaten oder Einzelpersonen Österreich vor dem EuGH klagen. Sollte der EuGH die Unionsrechtswidrigkeiten feststellen, müsste die Republik Österreich mit Staatshaftungsklagen und Schadenersatzforderungen rechnen.
Aber auch faktische Gründe würden gegen eine Umsetzung des Regierungsvorhabens sprechen, glaubt Leidenmühler. Denn einerseits entstünden erhebliche Kosten bei der Administration eines solchen Systems, andererseits wären für Kinder in Staaten mit höheren Lebenshaltungskosten auch entsprechend höhere Beihilfen zu bezahlen. Vor allem könnten aber Beihilfeempfänger aufgrund der Indexierung ihre Kinder nach Österreich holen, was den Spareffekt minimieren und die Zuwanderung verstärken würde.
Zielführender als ein nationaler Alleingang wäre es daher, auf europäischer Ebene eine entsprechende Änderung anzustreben, wie es im Paket des Europäischen Rates vom Februar 2016 zur "Neuregelung für das Vereinigte Königreich innerhalb der EU" schon vorgesehen worden sei, schlägt der Studienautor vor. Dennoch sei auch eine solche Regelung kritisch zu sehen, da der Abbau individueller Rechte von Wanderarbeitern einen Eingriff in Kernbereiche der Freizügigkeit darstelle und "diametral dem Geist des Binnenmarktes" widerspreche.