Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich vor einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für eine Beteiligung an einer möglichen UNO-Mission in der Ostukraine bereit gezeigt. "Es kann sein, dass auf Österreich hier eine besondere Verantwortung zukommt, sollte es diese Mission geben", sagte Kurz am Mittwoch vor österreichischen Journalisten in Moskau.
Beitrag leisten
"Wir stehen grundsätzlich bereit und haben das auch schon in der Bundesregierung besprochen", erklärte er weiter. "Neutrale Staaten wie Österreich haben eine besondere Glaubwürdigkeit bei beiden Seiten." Die österreichische Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten, begründete Kurz so: "Einerseits haben wir ein Interesse, das Leid der Menschen zu lindern, auf der anderen Seite ist auch unsere Sicherheit und Stabilität in Österreich abhängig von der Stabilität in der weiteren Nachbarschaft, und da gehört die Ukraine definitiv dazu."
Ob und wann diese Mission im Donbass zum Einsatz kommt, ist noch ungewiss. In Moskau und in Kiew gibt es auch unterschiedliche Ansichten, was das Mandat betrifft. So will Russland, dass UNO-Blauhelme die OSZE-Beobachter schützen, während die Ukraine vor allem auch die Grenze zu Russland kontrolliert wissen will.
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Gespräch mit Putin
Die Reise nach Russland sei "eine Fortsetzung des österreichischen OSZE-Vorsitzes", erklärte Kurz weiter. Er wolle mit Putin aber auch bilaterale und EU-Themen besprechen. "Russland ist ein großer internationaler Player." Ein guter Kontakt zum Westen sei ebenso wichtig wie zum Osten, so Kurz. Österreich habe aufgrund seiner Geschichte "immer gute Zugänge" zu Russland gehabt. Kurz verwies auch darauf, dass bereits seit 500 Jahren diplomatische Beziehungen bestünden und heuer 50 Jahre russische Gas-Lieferabkommen gefeiert würden.
Zur Frage der EU-Sanktionen gegen Russland sagte der Bundeskanzler: "Wir gestalten die europäische Politik mit, und wir tragen sie dann auch mit." Sanktionen seien "kein Selbstzweck". Das Ziel müsse sein, Spannungen abzubauen. Entscheidungen über Sanktionen müssten in Brüssel getroffen werden.
Minsker Abkommen
"Wir stehen zum Minsker Abkommen", betonte Kurz angesprochen auf das in Russland umstrittene ukrainische Gesetz zur "Beendigung der Okkupation" des Donbass. "Es braucht einen Fortschritt auf dem Verhandlungstisch, dazu gibt es keine Alternative." Allerdings sehe er eine "Problematik, was die Umsetzung von Minsk betrifft". Kurz zeigte sich als Anhänger des Zug-um-Zug-Prinzips, also dass es im Gegenzug zu Fortschritten im Friedensprozess auch ein stückweises Abbauen der Sanktionen geben sollte.
"Russland ist ein Markt mit viel Potenzial für die österreichische Wirtschaft", sagte Kurz, der auf die positive Wirtschaftsentwicklung im vergangenen Jahr verwies. Demnach stiegen die österreichischen Importe aus Russland um 14 Prozent, und die österreichischen Exporte wuchsen im ersten Halbjahr 2017 um 16,5 Prozent auf rund zwei Milliarden. Im Tourismus habe es 2017 25 Prozent mehr Ankünfte gegeben, "allerdings von einem sehr niedrigen Niveau".
Auch ÖSTERREICH ist mit vor Ort.
Treffen mit weiteren Ministern
In Moskau trifft Kurz nicht nur Putin, sondern wird im Kreml auch dem russischen Wirtschaftsentwicklungsminister, dem Energieminister und Gazprom-Chef begegnen. Außerdem war in der österreichischen Botschaft ein Treffen mit Vertretern des Sacharow-Zentrums, der Menschenrechtsorganisation Memorial, des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum sowie der auf Wahlbeobachtung spezialisierten Organisation Golos geplant. Die letzten drei Organisationen sind vom russischen Justizministerium wegen einer zumindest teilweisen Finanzierung aus dem Ausland als "ausländischer Agent" gebrandmarkt worden.