Ein an und für sich geringfügiger Streit zwischen mehreren Afghanen und einem Tschetschenen, dem ein Türke zur Hilfe kam, ist im Mai 2017 in Wien-Favoriten mit einem Messerstich beendet worden. Deshalb mussten sich am Dienstag vier Beschuldigte am Landesgericht wegen versuchten Mordes verantworten. Neben dem mutmaßlichen Täter waren auch seine drei Freunde wegen Beitragstäterschaft angeklagt.
Die Auseinandersetzung hatte in einer Garnitur der U1 ihren Ausgang genommen, als drei Afghanen in Richtung eines Mannes pöbelten, den sie aufgrund eines T-Shirts mit kyrillischen Schriftzeichen als Tschetschenen identifizierten. Dieser antwortete mit "Scheißafghanen", der Hauptangeklagte mit dem Stinkefinger, wofür er einen Schlag kassierte. In das Geschehen mischte sich nun auch ein Türke ein, da er nicht damit einverstanden war, dass drei auf einen losgingen.
Was dann auf der Straße folgte, ließ mehrere Zeugen ihre Handys zücken und das Geschehen mitfilmen, weshalb die Staatsanwaltschaft die seltene Gelegenheit hatte, die Tat per Video im Gerichtssaal vorzuführen. Der nach eigenen Angaben erst 18-, laut Gutachten aber mindestens 19-Jährige, ließ einen Begleiter bei der ums Eck gelegenen Wohngemeinschaft der Asylanten anrufen, damit ihm ein Freund von dort ein Messer zum Keplerplatz bringt. Der kam der Bitte umgehend nach, was folgte war ein Gerangel, bis der Tschetschene schließlich eine vier Zentimeter breite und zehn Zentimeter tiefe Wunde im Oberbauch abbekam, die Dick- und Dünndarm perforierte.
Da sie wegen der Waffe angerufen, bzw. das Messer gebracht und bei der Schlägerei weitergereicht hatten, saßen nun auch die drei 17-jährigen Landsleute des Afghanen auf der Anklagebank. Für ungläubiges Kopfschütteln des Richtersenats sorgte jener Beschuldigte, der das Messer gebracht hatte. Dieser entschuldigte sich und argumentierte, er hätte nicht gewusst, dass es in Österreich verboten wäre, jemanden niederzustechen. "Sie wollen mir jetzt nicht erzählen, dass das in Afghanistan erlaubt ist?", meinte der beisitzende Richter Daniel Potmesil. "Doch, in unserer Provinz ist das so."
Urteil steht aus
Der Hauptangeklagte wiederum verantwortete sich damit, dass der Türke ein Messer gehabt hätte. Davon war jedoch weder auf den Videos etwas zu sehen noch hatten Zeugen davon etwas bemerkt. Zudem sei er mit seinen Freunden eindeutig in der Überzahl gewesen. Er habe jedenfalls Angst gehabt und wollte sich mit dem Messer nur verteidigen, sagte der Beschuldigte aus. Nach längerem Nachfragen, warum er dann dem Tschetschenen und dem Türken nachgelaufen sei, gab der 19-Jährige zu, dass er auch aggressiv gewesen sei.
Nach einer Mittagspause sollte die Verhandlung mit den weiteren Aussagen fortgesetzt werden. Da jedoch zwei Zeugen, darunter das Opfer, nicht erschienen waren, kündigte Richterin Beate Matschnig an, dass erst am 22. März ein Urteil gesprochen werden wird.