Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat an die Eigenverantwortung der FPÖ bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte ausgesprochen. "Jeder Parlamentarier muss wissen, in welchem Verein er tätig ist", sagte er am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Selbst sprach sich Sobotka dafür aus, die Historikerkommission mit unumstrittenen und international renommierten Wissenschaftern zu besetzen.
"Kommissionen dann von Wert, wenn sie möglichst unabhängig sind", meinte Sobotka zur von Vizekanzler und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache angekündigten Aufarbeitung der Geschichte des Dritten Lagers und weiter: "Das liegt an der Partei der FPÖ, jene Historiker international auch auszuwählen, die tadellos in ihrem wissenschaftlichen Ruf sind und nicht unter Verdacht stehen, etwas unter den Tisch zu kehren."
Einmischen will sich der Nationalratspräsident aber nicht in die Causa, welche das Auftauchen eines Liederbuchs mit NS-verherrlichendem Inhalt in der Burschenschaft des freiheitlichen Landtagskandidaten Udo Landbauer ins Rollen gebracht hatte. Nur so viel: "Jeder, der sich nicht der Geschichte stellt, wird von der Geschichte gestellt, schneller als man denkt." Bei der Kommission solle man in erster Linie auf Qualität setzen, nicht auf Zeit.
Grundsätzlich erhofft sich Sobotka, dass der antifaschistische Grundkonsens künftig verstärkt in der ganzen Gesellschaft Platz greift. Historische Aufarbeitung sei kein abgeschlossener Prozess, hier sei Bildungsarbeit gefragt. In diesem Sinne forderte der ehemalige Innenminister jeden auf, Vorfälle im Sinne der Wiederbetätigung oder des Antisemitismus zur Anzeige zu bringen - auch wenn man mit dem Strafgesetz nicht alles lösen könne.
Mit der Reaktion seines Parteichefs auf die Liederbuchaffäre ist der Nationalratspräsident zufrieden. Bundeskanzler Sebastian Kurz habe klar Stellung bezogen, "ich zolle ihm hohen Respekt". Auch fürchtet Sobotka keinen Imageschaden durch die Koalition der ÖVP mit den Freiheitlichen: "Wir können im Gedenkjahr klar zeigen, was unsere Haltung ist." Grundsätzlich gelte aber: "Wir brauchen nicht die Hysterie, sondern wir brauchen die Historie."
Zu seinem neuen Amt meinte der ehemalige Innenminister, er sei "auf einer Seite Kontrollor der Regierung, aber auf der anderen Seite auch Unterstützer". Weiter strebt er eine Verbesserung des Image der Abgeordneten an, wobei er aber die Einführung von Geldstrafen nicht "proaktiv" vorantreiben würde. Der Zwischenruf sei ein parlamentarisches Instrument, das aber dennoch nicht entgleiten dürfe, meinte er dazu.
Viel lieber würde der Nationalratspräsident mehr Gewicht auf die Diskussion vor Gesetzesbeschlüssen legen - inklusive der Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Als "Durchwinkmaschine" für die Regierung sieht er den Nationalrat nicht: "Der parlamentarische Prozess ist nicht nur am Endpunkt zu messen, wenn ein Gesetz beschlossen ist." Zudem will er auf das Einhalten von parlamentarischen Fristen drängen und fordert besser lesbare Gesetzestexte.
Zu inhaltlichen Vorhaben der Regierung wie höheren Strafen bei Sexualdelikten oder dem angeblichen Abhörskandal im Vizekanzler-Büro will sich Sobotka als einstiger Innenminister grundsätzlich nicht äußern. "Wenn man in einem Amt ist, dann soll man zu diesem Amt Stellung nehmen", meinte er dazu.