Das spannendste Wochenende dieses Jahres steht bevor. Für alle Parteien bringt es dramatische Ergebnisse – am wichtigsten sind sie für die SPÖ.
Die Wiener SPÖ steht heute vor einer Richtungsentscheidung. Ein Parteitag mit fast 1.000 Delegierten soll wählen: Für einen Neustart mit mehr Bürgernähe und mehr Öffnung zur Mitte mit Stadtrat Michael Ludwig – oder für die Fortführung des zuletzt stockenden Rot-Grün-Kurses und die „Rettung“ des Wiener Partei-Establishments mit Andreas Schieder.
Michael Häupl trifft die Entscheidung für seine Nachfolge nicht selbst – sondern überlässt sie einem Parteitag. Was zunächst nach Feigheit, Chaos, Schlammschlacht aussah, hat sich als richtig herausgestellt.
Die Wiener SPÖ hat aus dem Duell Ludwig gegen Schieder statt der von vielen erwarteten Schlammschlacht einen bemerkenswert fairen, respektvollen und sachlichen Wahlkampf gemacht. Der heutige Parteitag kann zu einem Musterbeispiel für Demokratie, für mehr Mitbestimmung in den Parteien werden.
Die beiden Kandidaten haben gezeigt, wie man in einer Partei auf Augenhöhe, fair und sachlich Wahlkampf führen kann. Beide haben spannende Visionen für die Zukunft von Wien präsentiert, beide sich als Versöhner einer zuletzt gespaltenen Partei profiliert. Beide haben Bürgermeister-Qualität gezeigt – heißt: beide wären würdige Häupl-Nachfolger.
Trotzdem könnte der Unterschied größer nicht sein:
Michael Ludwig kämpft mehr oder weniger „allein gegen das Partei-Establishment“. Er hat zwar fast alle Bezirks-Chefs der großen Flächenbezirke hinter sich, damit auch die deutliche Mehrheit der Wiener Wähler (laut jüngster Umfrage würden 37 % aller Wiener Ludwig wählen, 29 % Schieder) – doch er ist der Kandidat eines Neustarts, den das klassische Partei-Establishment nicht will.
Andreas Schieder wurde deshalb von der Spitze um Bürgermeister Häupl bekniet, gegen Ludwig anzutreten. Schieder ist der Vertreter des linken Rot-Grün-Lagers. Er hat alles hinter sich, was im Rathaus Macht und Einfluss hat. Unter normalen Umständen müsste Schieder hoch gewinnen (fast die Hälfte der Delegierten kommen aus SPÖ-Organisationen oder aus irgendeiner Abhängigkeit zu Rathaus und Parteiapparat).
Die politischen Umstände anno 2018 sind freilich nicht mehr „normal“: Die Basis lässt sich von der Partei immer seltener vorschreiben, wen sie wählen soll. Deshalb wird die Entscheidung so dramatisch: Stimmen die Delegierten – trotz Frusts – noch einmal fürs Partei-Establishment Häupl-Brauner-Sima & Co, das Schieder als letzte Hoffnung ins Rennen schickt …
… oder haben auch in der SPÖ jene, die einen Neustart wollen, die Mehrheit und bekommt die Wiener SPÖ mit Ludwig à la Kurz einen Obmann, der von einer Bewegung getragen wird.
Die SPÖ wird Wien bei der Wahl 2020 nur mit einem bürgernahen Rathaus-Chef verteidigen – bei einem zu starken Rot-Grün-Kurs sind entweder Strache oder der neue VP-Star Blümel als nächster Bürgermeister programmiert. Die SPÖ kämpft heute also auch ums Überleben …
Auch die FPÖ wird mit einer spannenden Entscheidung konfrontiert. Sie hat bei der Niederösterreich-Wahl einen extrem rechts positionierten Spitzenkandidaten: Udo Landbauer ist mit seiner Germania-Burschenschaft für normal denkende Wähler untragbar geworden.
Die FPÖ stand in NÖ vor einem Triumph. Sie hatte in Umfragen statt 8 % sagenhafte 21 %, kämpfte um Platz 2. Jetzt zeigt sich, wie viele Wutbürger auch eine rechtsextreme FPÖ wählen. Kommt Landbauer Sonntag bei der NÖ-Wahl über 20 %, wäre das ein Zeichen, dass die Wähler der FPÖ rechtsextreme Rülpser nicht übel nehmen. Schafft er aber weniger als 18 % der Stimmen, wäre das ein klares Signal, dass sich die FPÖ von Rechtsextremen dringend verabschieden sollte. Gewinnen wird Landbauer – leider – sowieso. Die Frage ist nur, wie viel …
Johanna Mikl-Leitner hat sich die Latte für ihre NÖ-Wahl auf 45 % gelegt. Profitiert sie jetzt vom Nazi-Skandal der FPÖ, legt 3 % oder mehr drauf und schafft damit doch noch die Absolute – hieße der große Sieger Sebastian Kurz.
Fest steht: Es wird heute und morgen extrem spannend.