Drei Tage vor der mit so viel Spannung erwarteten SP-Parteitags-Entscheidung über den nächsten Wiener Bürgermeister und SP-Chef – zwischen Michael Ludwig und Andreas Schieder – ist die Bilanz extrem positiv:
Die von vielen Medien (auch von ÖSTERREICH) erwartete parteiinterne Schlammschlacht ist ausgeblieben – im Gegenteil: Das Werben um die Delegierten ist extrem fair gelaufen.
Alle Diskussionen (vor allem in den Hearings) wurden von Sachthemen geprägt – beide Kandidaten konnten ihre Vision eines modernen Wiens entwickeln.
Auch die Kandidaten selbst haben an Profil gewonnen – beide haben sich Bürgermeister-reif präsentiert – so sind beide schon Gewinner.
Im Gegensatz zu den Wochen vor dem Wahlkampf, als Michael Ludwig in allen Hochrechnungen von neutralen Insidern ganz klar (nämlich mit über 100 Stimmen Vorsprung) führte, ist jetzt eine seriöse Prognose für die Parteitags-Abstimmung nicht mehr möglich.
Und zwar nicht, weil das Rennen um so viel knapper geworden ist (obwohl das mittlerweile durchaus auch möglich ist), sondern vor allem deshalb, weil mittlerweile mehr als 50 % (!) aller Delegierten auf telefonische Befragung nicht mehr sagen wollen, wen sie am Samstag wählen werden.
Selbst im Häupl-Bezirk Ottakring, wo fast alle Delegierten Schieder wählen, sagt Bezirks-Obmann Oxonitsch nicht mehr, wem er die Stimme gibt – weil er als SP-Klubobmann die Wahl nicht präjudizieren (und es sich offenbar mit dem Sieger nicht verscherzen) will.
Das macht die Wahl in zwei Tagen so spannend und Prognosen unmöglich.
Beide Kandidaten können Samstag gewinnen – und beide wären würdige Sieger:
Für Michael Ludwig spricht, dass er stärker als Schieder für einen Neustart der Wiener SPÖ steht, dass er den ziemlich verfahrenen Rathaus-Karren aus der rot-grünen Blockade holen will und dass er der bürgernähere der beiden Kandidaten ist.
Ludwig ist der Kandidat der SPÖ-Basis in den Arbeiterbezirken von Favoriten und Simmering bis Floridsdorf und Liesing. Deshalb würde auch eine klare Mehrheit der Wiener Wähler (nämlich 37 % zu 29 %) Ludwig als nächsten Bürgermeister bevorzugen.
Freilich: Der Kandidat der Wähler muss noch lange nicht der Kandidat der Delegierten am Parteitag sein.
Denn für Andreas Schieder spricht, dass die Mehrheit der Delegierten weiß, dass er der Wunsch-Kandidat des Denkmals Michael Häupl ist. Und dass neben dem alten Rathaus-Kaiser auch nahezu die gesamte Stadtregierung – insbesondere die roten Ladys Brauner, Sima, Frauenberger – alle Kraft für Schieder mobilisiert.
Schieder ist in der SPÖ perfekt vernetzt, er vertritt nicht nur die Partei-Spitze, sondern auch die Partei-Linke.
So wird das Duell Schieder – Ludwig auch zur Richtungs-Entscheidung in der SPÖ.
Mit Schieder gewinnt die linke Rot-Grün-Fraktion, auch die Partei-Spitze um Kern, und die roten Stadträtinnen.
Mit Ludwig siegt die Basis der großen Arbeiterbezirke, die Gewerkschaft, das Lager um Doskozil, aber auch um Faymann und Bures – jene, die einen Neustart in Partei und Rathaus wollen.
Beide Kandidaten haben sich aber in den Hearings so kompromissbereit präsentiert, dass sie das jeweils andere Lager gewinnen und die Wiener SPÖ wieder einen können.
Und deshalb wird dieser Parteitag für die SPÖ befreiend und ein Neustart sein. Und für alle anderen Parteien ein Zeichen, dass partei-interne Demokratie funktionieren kann …