
Wie es sich für einen Prozess der Superlative (mit 100.000-Seiten-Akt, 166 Zeugen und 14 Angeklagten) gehört, fällt auch das Eröffnungsplädoyer des Verteidigers ungewöhnlich lang aus. Einen ganzen Verhandlungstag lang wollte sich Karl-Heinz Grassers Anwalt Norbert Wess Zeit nehmen, um die 825-seitige Anklage der Staatsanwaltschaft zu zerpflücken.
Und das tat er en détail: Dabei versuchte Wess nicht nur die tatsächliche Anklage zu widerlegen – die er als „Vollholler“ und „politische Show“ abtat. Er widmete sich in seinen stundenlangen Ausführung zur Überraschung vieler auch sehr ausführlich jenen Punkten, die das Oberlandesgericht Wien gar nicht erst zur Anklage zu ließ. Dann ging es plötzlich um zahlreiche die Dutzenden Verfahren, die in der Vergangenheit von der Staatsanwaltschaft gegen Grasser geführt und dann wieder eingestellt wurden – von den Affären Post bis Dorotheum. Über die zehn Schöffen und Ersatzschöffen bricht eine wahre Lawine an Informationen herein: Sie hören genau zu und lesen mit.
Wess wusste aber auch an die Emotionen der Schöffen zu appellieren: Die Schöffen sollten sich vorstellen, sie selbst würden einmal angeklagt, „hier im Schützengraben landen“, bittet der Anwalt. Sein Mandant Grasser sei einer „medienrechtlichen Vorverurteilung ausgesetzt gewesen, die ihresgleichen sucht“, so Wess. Und er ergänzt: „Mein Mandant ist beruflich ruiniert, Operation gelungen, Patient tot.“
Abseits des Plädoyers gab es am Donnerstag noch einen Antrag: Anwalt Amir Ahmed bat darum, Einer seinen Mandanten von der Anwesenheitspflicht zu entbinden – er müsse arbeiten, um seinen und den Unterhalt der Familie zu bestreiten. Das lange Verfahren gefährde seine berufliche Existenz. Der Senat wies das ab.
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Amir Ahmed sorgte schon an den ersten beiden Tagen mit seinen Outfits für den modischen Farbklecks im Gerichtssaal.
Das Eröffnungsplädoyer von Grasser-Anwalt Norbert Wess war als ganztägig angekündigt.
