
Eine offene Obmanndiskussion will in der SPÖ derzeit zwar niemand beginnen, in der Partei brodelt es aber gewaltig. Kanzler Christian Kern fährt, wie es ein SPÖ-Funktionär nennt, derzeit einen „Schlingerkurs“. Auch die Parteibasis kann nicht erkennen, ob Kern in Opposition gehen will, oder ob er sich tatsächlich um Rot-Blau bemüht.
Wunsch nach Rot-Blau, aber keine Urabstimmung
Wohin? Kern weilte am Freitag in Brüssel beim EU-Brexit-Gipfel. Seine Ansage: Alles laufe auf Schwarz-Blau bzw. Türkis-Blau hinaus. Die Chance auf Rot-Blau liege „im Tausendstelpromillebereich“. ÖSTERREICH erfuhr aber aus der SPÖ: Der Kanzler habe die Hoffnung auf eine Zusammenarbeit mit der FPÖ noch nicht aufgegeben. Nur: Als Voraussetzung für Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ müsste Kern eine Urabstimmung der SPÖ-Mitglieder über die Aufhebung des Parteitagsbeschlusses zu Rot-Blau ansetzen. Bis Freitagabend gab es aber keinerlei Bemühungen in diese Richtung, geschweige denn, dass der Kanzler sich dazu äußert.
Voves: »Bei Rot-Blau trete ich aus der Partei aus«
Alt-Grande. Hört man sich in der Partei um, wird klar, warum sich Kern das nicht traut: Weite Teile sind eben gegen Rot-Blau. Der ehemalige steirische Landeshauptmann und SPÖ-Chef Franz Voves will sein Parteibuch zurücklegen, wenn die SPÖ mit der FPÖ koalieren sollte, sagte er im Onlineportal Addendum.
Doskozil: Auf eine Zigarre mit dem VP-Innenminister
Raucher unter sich. Andere versuchen angesichts des Vakuums an der Spitze, ihre eigenen Wege zu gehen: Wie ÖSTERREICH bereits berichtete, war SPÖ-Heeresminister Hans Peter Doskozil am Donnerstag in der Zigarrenlounge eines Nobelhotels im Talk mit ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka zu sehen. Mit jenem Sobotka also, der seinen Job bei einer türkis-blauen Koalition an die FPÖ verlieren könnte.
Doskozil bestritt, dass er sich der ÖVP als SPÖ-Vizekanzler angeboten hätte: „Wir treffen uns meistens dort, weil wir dort gemeinsam eine rauchen.“ Man habe natürlich auch über die aktuelle Situation gesprochen, aber die Spekulationen der Medien seien „überzogen und überhitzt“.
