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Das Dossier, das Kanzler Kern erregt

23-09-2017, 22:55

Seit Kanzler Christian Kern sein Interview auf oe24.TV „gecrasht“ hat, spricht ganz Österreich über jenes „Geheim-Papier“, das den Kanzler so in Rage versetzt.

Das geheime Strategie-Papier stammt freilich nicht von ÖSTERREICH, sondern aus der SPÖ selbst, es beinhaltet – im Gegensatz zu den Aussagen des Kanzlers – auch keine privaten Details oder Inhalte über seine Familie (kein Wort davon) …

… sondern das Papier ist eine schonungslose Abrechnung mit Partei und Kanzler selbst.

Politisch brisant: Das Geheim-Papier mit Titel „Analyse zum Status quo“ wurde am 9. Februar 2017 verfasst. Das war drei Monate (!) vor der Ansage von Neuwahlen durch Sebastian Kurz am 12. Mai.

Im Februar war Mitterlehner noch ÖVP-Chef, die Regierung schwor sich auf Einigkeit ein – trotzdem enthält dieses Strategie-Papier bereits alle (!) detaillierten Vorbereitungen des künftigen Wahlkampfs. Heißt: Die SPÖ hat mit Berater Tal Silberstein bereits im Februar intensiv am Wahlkampf gearbeitet.

Noch brisanter: Die „Analyse zum Status quo“ stammt direkt aus dem Büro von Ex-Kanzler und Ex-SP-Chef Alfred Gusenbauer, der damals offenbar einer der engsten Berater von Kanzler Kern war.

Verfasst haben das mehr als 20-seitige Dossier die engsten Mitarbeiter von Gusenbauer – und zwar auf ausdrücklichen Wunsch des von der SPÖ als „Berater“ verpflichteten – zuletzt verhafteten – Israelis Tal Silberstein. Er hat dieses Dossier angefordert.

Die politische Brisanz des Papiers besteht nicht nur im Datum (die SPÖ bereitet den Wahlkampf drei Monate vor der Neuwahl-Ansage in allen Details vor) – sondern in der schonungslosen Analyse der handelnden Personen durch die eigenen „Berater“.

Der Beginn der Analyse mit zunächst harter Kritik an der SPÖ – in vollem Wortlaut:

„SPÖ ist nur bedingt kampagnenfähig! Besonders bitter: eine Schwachstelle ist sicherlich der GF (gemeint: Niedermühlbichler) aus Mangel an polit-strategischem Know-how sowie der Pressesprecher (gemeint: Uhl) aus Mangel an Know-how, Dynamik, Energie und Einsatzbereitschaft. … Weniger der finanzielle Mangel macht sich in der SPÖ bemerkbar, sondern die allgemeine inhaltlich-­organisatorische „Erschöpfung“ der Partei und eine nicht vorhandene Führung.

To do sofort: GF soll NUR organisatorische Rolle übernehmen – Kampagnensteuerung, öffentliche Auftritte und den Wahlkampf MUSS jemand anderes machen. Zudem ist der GF … auch „verbrannt“ und wird zunehmend zur Bürde für den Kanzler.“

Als Nächstes wird das Kabinett von Kanzler Kern in der Luft zerrissen – im Wortlaut:

„Ein wesentliches Problem ist die Sprunghaftigkeit des Kanzlers. Vieles passiert dort unkoordiniert oder mangels Plan aus reinem Zufall. … Das Kabinett scheint sehr frustriert zu sein. Stimmung ist schlecht, weil der Kanzler seinem Team nicht vertraut.“

Als „to do“ wird – bereits in diesem Februar-Konzept – die Verpflichtung von OMV-Pressesprecher Johannes Vetter empfohlen, die dann – am Höhepunkt der Wahlkampfkrise im Juni – tatsächlich erfolgt ist. Auch das zeigt die politische Brisanz dieses Papiers.

Brutale Kritik gibt es an der Regierung generell – im O-Ton:

„Ministerriege ist nur bedingt kampagnenfähig und in erster Linie ein ungeführter Haufen. Neben der starken Persönlichkeit Doskozil ragt kaum ein weiterer Minister heraus. Die einen können nicht (Stöger), die anderen sind schwer krank (Oberhauser) und die dritten sollen es nicht machen, denn jeder Auftritt richtet mehr Schaden an (Duzdar). Alles ist unkoordiniert. …

To do sofort: Der Kanzler muss jemand „opfern“ – das kann nur Stöger sein, die Gewerkschaft muss hier für Ersatz sorgen … jemand der für einen echten „Wow“-Effekt sorgt.“

Wie man weiß, hat es eine Stöger-Ablöse nie gegeben, sie wurde aber offenbar intern heftig diskutiert und auch von Silberstein vorgeschlagen.

Unfassbar, wie das Dossier schließlich den eigenen Kanzler beurteilt – im O-Ton:

Schließlich nimmt sich die Analyse in schonungsloser Härte Kern selbst vor:

„Bundeskanzler Kern ist nicht kampagnenfähig. Leider Gottes ist eine der wesentlichen Schwachstellen der Kanzler himself. … Der Kanzler hat wesentliche assets, die dazu führen, dass er sehr beliebt ist.

Der Kanzler weist aber ein paar Merkmale auf, die alles zunichte machen können – sofern er und wir gemeinsam mit ihm – daran nicht arbeiten. …

Er hat NULL Kampagnen- und Wahlkampferfahrung und keine Vorstellung, wie niederträchtig, gemein und heftig Wahlkampf eigentlich ist – jetzt haben wir ja noch „Friedenszeiten“.

Er ist sich NICHT bewusst, welche psychischen und physischen Strapazen ein Wahlkampf mit sich bringt.

Er ist zwar fit, aber braucht enorme Ruhephasen …

Er hat ein äußerst schwaches Nervenkostüm und ein Glaskinn.

Er ist eine Prinzessin und ungemein eitel.

Er ist sehr unsicher.

Er hat ein Vertrauensproblem … und will unbedingt geliebt werden.

Er hält Kritik (mediale Schelte) nicht aus und reagiert nervös, um nicht zu sagen panisch.

Er glaubt, dass Journalisten Freunde sind. … Und reagiert auf negative Berichterstattung indem er die Journalisten direkt anruft oder unfreundliche SMS schickt. Ein absolutes No-Go!“

Dann wird dem Berater Tal Silberstein vom Büro Gusenbauer empfohlen:

„To do sofort! … Zuallererst mit dem Kanzler (und auch mit seiner Frau) ein sehr ernstes Wort über diese Punkte zu führen. Sein Nervenkostüm ist angespannt, seine Verunsicherung ist groß, deshalb muss man mit dem nötigen Gefühl und Sensibilität herangehen. Dennoch – the sooner the better. So wie bisher geht es aus mehreren Gründen nicht weiter. Dieser Weg ist falsch. Es macht ihn fertig und führt nur zu noch mehr Frustration und Irritation. Er wird nur noch mehr panisch. Es macht ihn krank.

… Er braucht eine Art ­Küchenkabinett, dem er zu 100 % vertrauen kann.“

Es folgt dann eine ausführliche Auflistung aller nötigen Punkte von „Wahlkampfführung“ über „Fundraising“ bis zu „dirty campaigning“, ausführliche Konzepte für das zu erstellende Team, ein elend langes Personenverzeichnis, ein Organigramm, sogar Tagesordnungen für Klausuren.

Das Absurde an dem Papier – das auch den Zorn des Kanzlers verständlich macht – ist: Dass sich der eigene Wahlkampf-Berater Tal Silberstein eine so schonungslose, um nicht zu sagen infame Analyse überhaupt erstellen und schriftlich (!) ausarbeiten lässt. Noch brutaler: Dass diese Brutal-Analyse direkt aus dem Büro von SP-Akademiechef Gusenbauer kommt, in vielen Phrasen auch nach „original Gusi“ klingt.

Tatsächlich unfassbar ist, dass und wie dieses SPÖ-interne Papier an die Öffentlichkeit „gespielt“ wurde. Es wurde nicht gehackt, sondern von SPÖ-Mitarbeitern an die Medien weitergeleitet.

Die erste Seite der Analyse (möglicherweise auch noch ein paar Seiten mehr) landete zunächst als „Teaser“ bei der „Kronen-Zeitung“ und wurde von ihr bereits vor Wochen veröffentlicht.

Das gesamte Papier samt zahlloser E-Mails von Tal Silberstein an das Wahlkampf-Team, insbesondere „Stevie“ Sengl (der dann das Handtuch warf), GF Niedermühlbichler und auch an Gusenbauer – von den zu drehenden Videos bis zum Wahlkampf-Finale der „last 5 days“ – landete dann bei ÖSTERREICH.

Es wurde von uns detailliert nachgeprüft, die Autoren verifiziert, die Echtheit bestätigt.

Diese SP-interne (!) „Analyse“ ist politisch so brisant (zumindest gleich brisant wie das Kurz-Strategie-Papier, das ÖSTERREICH vor einer Woche veröffentlicht hat), dass wir definitiv für eine Veröffentlichung entscheiden mussten. Im Sinne der Unabhängigkeit. Im Sinne unserer Leser.

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