Mehr als 100 radikalisierte islamistische "Hochgefährder" werden in Österreich derzeit vom Verfassungsschutz überwacht. Die kontinuierliche Radikalisierung über Online-Plattformen wie TikTok führt zusätzlich zu einer zunehmenden Anschlagsbedrohung durch schwer fassbare Einzeltäter.
Zum Zeitpunkt des offenkundig islamistisch motivierten Terror-Anschlags in Villach waren österreichweit mehr als 100 radikalisierte islamistische "Hochgefährder" bekannt. Ihre Anzahl liegt aktuell weiterhin im niederen dreistelligen Bereich. Ihnen ist grundsätzlich eine Umsetzung von Anschlagsplänen zuzutrauen. Regional betrachtet konzentrieren sich die "Hochgefährder" zahlenmäßig zwar auf den Osten des Landes, sind aber nicht auf diesen Raum beschränkt.
Die den Behörden bekannten Hochgefährder werden vom Verfassungsschutz überwacht, wobei dieser dabei durchaus limitiert ist. Neben herkömmlicher Polizeiarbeit wie Observationen wird zwar auch versucht, Ermittler in einschlägige Chat-Gruppen einzuschleusen, wo diese dann im Idealfall auf die Spur potenzieller Tatverdächtiger kommen. Da eine Überwachung von Messengerdiensten gesetzlich in Österreich aber nicht erlaubt ist - ähnlich strenge Regeln gibt es europaweit nur in Portugal -, gehen Experten davon aus, dass hierzulande etliche Personen, die an sich zu den Hochgefährdern zählen, bisher noch gar nicht ins Blickfeld der Verfassungsschützer geraten sind.
Der Attentäter von Villach, der einen 14-Jährigen getötet und fünf weitere Personen teilweise lebensgefährlich verletzt hat, zählte jedenfalls nicht zu den Hochgefährdern. Bei ihm waren den Behörden weder Hinweise bekannt, dass es sich bei ihm um einen Anhänger der Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) handeln könnte, noch dass er Anschlagspläne wälzte. Das ist insofern nicht überraschend, als sich zuletzt Fälle häufen, bei denen sich Islamisten binnen kürzester Zeit über Plattformen wie TikTok radikalisieren und sich dabei weder im realen Leben noch online mit Gleichgesinnten vernetzen. Diese "Lone Wolves" - zu diesen dürfte nach derzeitigem Ermittlungsstand auch der Villach-Attentäter zählen - sind als besonders gefährlich einzuschätzen, da sie auch im Internet keine bzw. kaum Spuren hinterlassen, ehe sie zur Tat schreiten.
Die Anzahl der islamistischen Hochgefährder, die sich gegenwärtig im Land befinden, lässt sich auch deshalb schwer abschätzen, weil infolge des am 7. Oktober 2023 erfolgten Angriffs der Hamas auf Israel und des Zusammenbruchs des syrischen Regimes unter Staatspräsident Baschar al-Assad auch in Österreich Radikalisierungsprozesse stattgefunden haben bzw. stattfinden. Die Anzahl der Personen, die der Hamas zuzurechnen sind und die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, hat sich seit dem Herbst 2023 jedenfalls erhöht. Seit vergangenem Dezember legt der Staatsschutz auch ein Augenmerk darauf, welche Auswirkungen die jüngsten Ereignisse in Syrien auf die Sicherheitslage in Österreich haben könnten.