Österreich bleibt in Alarmbereitschaft: Nach dem tödlichen Terror-Anschlag in Villach und der steigenden Bedrohung durch junge, radikalisierte Islamisten wird zu erhöhter Wachsamkeit vor allem während der Ballsaison und während Großveranstaltungen gemahnt.
Nach dem offenbar islamistischen Anschlag in Villach, der einen 14-Jährigen das Leben gekostet hat, stellt sich die grundsätzliche Frage nach der aktuellen terroristischen Bedrohungslage. In Österreich gilt seit Herbst 2023 die Terrorwarnstufe 4, das ist die zweithöchste. Zuletzt waren zwar keine konkreten Anschlagspläne bekannt. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) rief jedoch zu erhöhter Wachsamkeit während der Ballsaison und bei Großveranstaltungen auf.
Gefährder werden immer jünger
Was die Bedrohung durch radikalisierte Islamisten betrifft, sei "keine Entwarnung in Sicht", hatte DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner erst vor wenigen Wochen bekräftigt. Die Anzahl der so genannten Gefährder verortete Haijawi-Pirchner "im höheren zweistelligen Bereich", wobei die gewaltbereiten Extremisten immer jünger werden. Der DSN sind in diesem Zusammenhang teilweise noch strafunmündige Personen bekannt, denen strafbare Handlungen zuzutrauen sind. Der Jüngste war erst zehn Jahre alt, als die DSN auf ihn aufmerksam wurde.
TikTok und Telegram lösen Moscheen bei Radikalisierung ab
Während noch vor kurzem so genannte Brennpunkt-Moscheen als Orte galten, bei denen vor allem junge Burschen radikalisiert wurden, findet dieser Prozess mittlerweile vor allem im Internet statt. Vor allem auf Plattformen wie TikTok und Telegram erfreuen sich salafistische und jihadistische Influencer und Prediger einer immer größeren Beliebtheit. Abonnenten ihrer TikTok-Videos werden in regelmäßigen Abständen mit Inhalten versorgt, die westlichen Werten und der herkömmlichen Auslegung des Koran nicht entsprechen.
Oft genügt für den Radikalisierungsprozess ein Zeitraum von wenigen Monaten. Die meist männlichen - zuletzt ist auch der Anteil der weiblichen Anhänger gestiegen - Kinder und Jugendlichen, die sich für den "Islamischen Staat" (IS), seinen jüngsten Ableger "Islamischer Staat - Provinz Khorasan" (ISPK) und ähnliche Organisationen begeistern, tragen deren Inhalte und Ideologien in die Schulen und in ihren Alltag. Wichtig wäre es aus Sicht der DSN, gerade die sehr jungen, teilweise gewaltaffinen Personen mit den Mitteln der Jugendwohlfahrt und so genannten Gefährderansprachen zu erreichen, ehe sie zu einer tatsächlichen Bedrohung für die öffentliche Sicherheit werden.
"Faszination für Gewalt" bei Radikalisierung von Bedeutung
Im Verfassungsschutzbericht 2023 wird betont, dass bei der Radikalisierung neben der Ideologie "vor allem die Faszination für gewalttätige Inhalte" eine wesentliche Rolle spielt. Werden IS-Anhänger ausgeforscht und vor Gericht gestellt, werden dort fast immer auf ihren Handys abgespeicherte Tötungs- und Hinrichtungsvideos erörtert, die sie von Gleichgesinnten über soziale Medien oder direkt über eine IS-Propagandstelle bezogen haben. Im selben Verfassungsschutzbericht heißt es außerdem, bei ausgeforschten Tatverdächtigen bzw. Beschuldigten seien "vermehrt psychische Auffälligkeiten und Erkrankungen" festzustellen.
Der Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der Zusammenbruch des syrischen Regimes unter Staatspräsident Baschar al-Assad hatten in Europa und auch hierzulande Auswirkungen. Die Verfassungsschützer stellten zum einen eine Zunahme an antiisraelischer und antisemitischer Propaganda fest, israelische und jüdische Einrichtungen rückten auch von islamistischer Seite als potenzielle Anschlagsziele in den Fokus. Der politische Wechsel in Syrien wiederum gab insofern Anlass zur Sorge, als unklar ist, wie viele ehemalige Proponenten des gestürzten Regimes Richtung Europa flüchteten, um Sanktionen in ihrer Heimat zu entgehen.
Flüchtlinge laut Forscher als Risikogruppe
Der Extremismusforscher Peter Neumann hat zuletzt darauf hingewiesen, dass die Mehrzahl der in der jüngeren Vergangenheit in Deutschland verübten Terror-Anschläge Asylwerber oder Geflüchtete durchgeführt hätten. Ohne Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen, sprach Neumann diesbezüglich von einer "Risikogruppe". Bis auf den Fall in Villach - beim Tatverdächtigen handelt es sich um einen aus Syrien Geflüchteten - waren der Wien-Attentäter vom 2. November 2020 und weitere verhinderte bzw. mutmaßlich verhinderte Attentäter, darunter etwa das Netzwerk um den 20-Jährigen, der im Vorjahr einen Anschlag auf ein Taylor Swift-Konzert in Wien geplant haben soll, keine Flüchtlinge. Sie haben zwar Migrationshintergrund, waren allerdings allesamt in Österreich aufgewachsen.