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Früher Ausnahme, jetzt schon Serie: Gescheiterte Koalitionsgespräche

12-02-2025, 16:21

Koalitionsverhandlungen sind bereits zum zweiten Mal hintereinander geplatzt. Bisher war ein Scheitern von konkreten Regierungsverhandlungen äußerst selten.

Die meisten der nach den bisher insgesamt 24 Nationalratswahlen der Zweiten Republik begonnenen Koalitionsverhandlungen wurden erfolgreich zu Ende geführt. Vor der aktuellen Serie gescheiterter Verhandlungen wurden erst dreimal Koalitionsverhandlungen erfolglos beendet - zuletzt 2002 jene zwischen ÖVP und Grünen.

Nach dem ÖVP-Erdrutschsieg bei der Nationalratswahl im November 2002 hatte der mit der Regierungsbildung beauftragte ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel zunächst wochenlang parallele Sondierungsgespräche mit SPÖ, FPÖ und Grünen geführt, bevor er sich zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Grünen entschied. Am 10. Februar 2003 begann schließlich der einwöchige Verhandlungsmarathon. Nach einer 16-stündigen Verhandlungsrunde erklärte der damalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen am 16. Februar um 6 Uhr früh dann das Scheitern von Schwarz-Grün. Nach "intensivierten" Gesprächen mit der SPÖ nahm die ÖVP eine Woche später Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ auf, nur fünf Tage später stand Schwarz-Blau II und wurde am selben Tag noch angelobt.

Schüssel war auch am Platzen von Koalitionsgesprächen drei Jahre zuvor beteiligt. Nach der Nationalratswahl im Herbst 1999 wollte die drittgereihte ÖVP zunächst wie im Wahlkampf angekündigt in Opposition gehen, verhandelte dann aber dennoch mit der SPÖ des mit dem Regierungsbildungsauftrag ausgestatteten Viktor Klima wochenlang über eine gemeinsame Regierung. Diese scheiterten, unterdessen hatte ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel allerdings bereits parallel mit den Freiheitlichen verhandelt, die offiziellen schwarz-blauen Koalitionsverhandlungen wurden dann binnen weniger Tage erfolgreich abgeschlossen.

ÖVP-SPÖ-Verhandlungen scheiterten auch 1966

Zuvor war ein Scheitern von Koalitionsverhandlungen in Österreich praktisch unbekannt. Nur nach der Nationalratswahl 1966 scheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ. Die ÖVP hatte bei der Wahl erstmals seit 1945 wieder die absolute Mehrheit erobert, dennoch wurde sechs Wochen mit der SPÖ über eine Koalitionsregierung verhandelt, bevor Josef Klaus am 19. April 1966 die erste Alleinregierung der Zweiten Republik bildete. Bei den vier darauf folgenden SPÖ-Alleinregierungen unter Bruno Kreisky wurde auf Koalitionsverhandlungen verzichtet.

Seit 1983 gab es wieder Koalitionsregierungen. Die Verhandlungen der bis zur jüngsten Wahl stets zwei Koalitionsparteien wurden dabei meist erfolgreich abgeschlossen, auch wenn der Weg bis dahin nicht immer einfach war. So wurden 2006 die Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP, die nach sieben Jahren Schwarz-Blau erstmals wieder über eine Große Koalition verhandelten, ausgesetzt, nachdem der Nationalrat gegen den Willen der ÖVP den Eurofighter-U-Ausschuss eingesetzt hatte. Nach zwei Wochen Pause wurden die Verhandlungen wiederaufgenommen. Die schließlich vereinbarte Regierung unter Alfred Gusenbauer (SPÖ) hielt dann aber nicht einmal zwei Jahre.

Erst zum dritten Mal wurde Regierungsbildungsauftrag zurückgelegt

Nach Karl Nehammer hat am Mittwoch auch Herbert Kickl den von Bundespräsident Alexander Van der Bellen erhaltenen Auftrag zur Regierungsbildung unverrichteter Dinge wieder zurückgelegt. Dieser Auftrag ist in der Verfassung nicht festgelegt, aber gelebte Praxis. Den Beauftragten gelang es bis auf wenige Ausnahmen bisher fast immer auch eine Regierung zu bilden. Vor Kickl mussten nur zuletzt Nehammer und Viktor Klima vor 25 Jahren diesen Gang in die Präsidentschaftskanzlei antreten.

(APA/Red)

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