Gastkommentar von Johannes Huber. Hans Peter Doskozil widerlegt, dass Regierende derzeit nur groß verlieren können. Und Wahlsieger Norbert Hofer droht ein tragisches Schicksal.
Regierende könnten in Zeiten wie diesen nur groß verlieren, heißt es. Gerne hat es etwa die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner nach „ihrer“ Landtagswahl vor zwei Jahren erzählt, bei der „ihre“ Volkspartei fast zehn Prozentpunkte abgeben musste und zum ersten Mal in der Geschichte bei weniger als 40 Prozent landete (bei 39,9 Prozent, um genau zu sein). Gerne hat es auch Ex-Kanzler und -ÖVP-Chef Karl Nehammer nach der Nationalratswahl Ende September behauptet oder der steirische Ex-Landeshauptmann und ÖVP-Obmann Christopher Drexler nach „seiner“ Landtagswahl Ende November. Beide hatten ebenfalls krachende Niederlagen zu verantworten und haben sich auch (!) daher letzten Endes zurückziehen müssen. Mikl-Leitner ist noch im Amt. Noch.
Der burgenländische Landeshauptmann und SPÖ-Vorsitzende Hans Peter Doskozil hat die Erzählung nun im Rahmen „seiner“ Landtagswahl Lügen gestraft. Es geht: Regierende müssen in Zeiten wie diesen nicht abstürzen in der Wählergunst. Sie können nicht gerade 50, aber allemal über 45 Prozent halten.
Das ist ein Signal mit weitreichenden Folgen. Erstens: Früher hat man Landeshauptleute gerne als Landeskaiser bezeichnet. Doskozil ist der letzte von ihnen. Eine solche Dominanz konnte sonst keine und keiner halten im eigenen Land.
Das verstärkt die Krise der ÖVP, bei der das über weite Strecken der Zweiten Republik der Fall war. Zum Beispiel in Niederösterreich. Gerade dort ist es jetzt bitter für sie, schwarz auf weiß vorgeführt zu bekommen, was mit einer geeigneten Führung geht. Johanna Mikl-Leitner liefert sie ganz offensichtlich nicht. Sprich: Erleidet ihre Partei alles in allem auch bei den Gemeinderatswahlen am kommenden Sonntag ein Debakel, ist sie angezählt. Wird in ihrer Partei mehr denn je der Ruf nach einem Kaliber wie Doskozil laut werden.
Zweitens: Doskozil führt sein Land durchaus populistisch, ist in vielen Fragen links im Sinne eines starken Staates, der sich um (fast) alles kümmert und eher rechts, wenn es um Asyl und Migration geht. Damit kann er punkten, weil das Burgenland ist, wie es ist: ländlich. Bei einer ländlichen Bevölkerung kommt das an.
SPÖ-Bundesparteichef Andreas Babler mag die Nase rümpfen und mit Doskozil nichts zu tun haben: Er selbst hat aber nichts Vergleichbares vorzuweisen. Bei der Nationalratswahl hat sich gezeigt, dass er mit seinem Kurs auf dem Land eher verloren ist.
Das schreit nach Konsequenzen: Doskozil ist nicht nur der letzte Landeskaiser, sondern auch der letzte Sozialdemokrat, der außerhalb der Städte erfolgreich ist. Das macht ihn parteiintern stark. Ob es Babler gefällt oder nicht. Sprich: Entweder kann er sich mit Doskozil arrangieren, in den nächsten Monaten irgendwie verdeutlichen, dass auch er ankommt auf dem Land – oder gehen. Es würde beweisen, dass er’s nicht bringt für die Sozialdemokratie.
Drittens: Die Freiheitlichen haben im Burgenland zwar massiv zugelegt, sind rein rechnerisch die mit Abstand größten Wahlsieger. Wegen Doskozil sind sie aber nicht über rund 23 Prozent hinausgekommen. Natürlich: Es ist trotzdem viel. Der Traum ihres Spitzenkandidaten Norbert Hofer (FPÖ) – und natürlich Herbert Kickls - wäre jedoch gewesen, dass eine blau-schwarze Koalition möglich wird im Burgenland. Das ist nicht der Fall. Es zeigt, dass Blaue nicht nur abräumen und ist eine kleine Warnung für sie: Es ist kein Naturgesetz, dass sie flächendeckend schier unendlich weit aufsteigen.
Es ist im Übrigen bitter für Hofer: Er, der 2016 beinahe Bundespräsident und 2024 gerne Nationalratspräsident geworden wäre, wird unter Umständen einfacher Landtagsabgeordneter – jedenfalls wenn sich Doskozil für eine Koalition mit ÖVP oder Grünen entscheidet. Das wäre dann ein sehr tiefer Fall.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik