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Wer ist Judith?

3-01-2025, 07:26

Gastkommentar von Johannes Huber. Die Wiener Grünen ziehen mit einer weithin unbekannten Spitzenkandidatin in die Gemeinderatswahl 2025. Das ist bezeichnend für den Zustand der Partei.

In gewisser Weise steht Judith Pühringer für das Gegenteil von Lena Schilling. Mit Lena Schilling haben die Grünen bei der Europawahl im vergangenen Juni eher nur auf eine bekannte Klimaaktivistin gesetzt. Politische Erfahrung? Null. Das Ergebnis ist bekannt: Im Wahlkampf brachte sie es in die Schlagzeilen. Aber unfreiwillig und zum Leidwesen der Partei ausschließlich mit persönlichen Geschichten. Heute ist sie zwar Abgeordnete, als solche aber buchstäblich in der Versenkung verschwunden. Sprich: Nicht wahrnehmbar.

In Wien werden die Grünen mit Judith Pühringer in die Gemeinderatswahl ziehen, die spätestens im Herbst dieses Jahres stattfinden wird. Der Slogan „Judith geht’s an“, der sich auf sie bezieht, mag an Insider und Anhängerinnen gerichtet sein, bleibt jedoch mutig: Judith Pühringer ist weithin unbekannt. Aktiv ist sie schon lange und das auch an der Spitze der Partei. Viele Wählerinnen und Wähler hat sie bisher jedoch nicht angesprochen: Bei einer Umfrage Ende 2023 erklärte ein Prozent der Befragten, dass sie bei einer Bürgermeister-Direktwahl für die heute 48-Jährige stimmen würden. Gerade einmal ein Prozent.

Das ist bezeichnend für den Zustand der Partei: Nach überwiegend guten Jahren, in denen die Grünen unter anderem auch in der Bundeshauptstadt mitregieren durften, verlieren sie seit geraumer Zeit Wähler und Macht. Bald werden sie auf Bundes- und Länderebene überall in Opposition sein. Ein Problem von ihnen ist, dass sehr viele Menschen vor lauter Krisen nicht nur nichts wissen wollen von der Klimakrise, sondern eine Abwehrhaltung entwickeln, wenn sie damit daherkommen. Motto: „Nicht das auch noch!“

Ein Nebeneffekt davon ist, dass keine größere Partei mehr regieren mag mit den Grünen. Die ÖVP hat im Nationalratswahlkampf gar nicht klar genug auf Distanz gehen können zu Werner Kogler, Leonore Gewessler und Co. Bei der SPÖ ist es kaum anders. Sie hat die Grünen in Wien bereits 2020 als Regierungspartner durch Neos ersetzt. Ein Grund war ihr Widerstand gegen den Lobau-Tunnel. Dieses Straßenbauprojekt, das erst realisiert werden muss, ist den Sozialdemokraten von Bürgermeister Michael Ludwig so wichtig, dass sie wohl auch nach der kommenden Gemeinderatswahl mit Neos regieren werden. Und dass sie allenfalls auch der ÖVP als zusätzliche Partnerin den Vorzug geben werden.

Schlimm für die Grünen? Vorerst ja: Zurzeit haben sie eben damit zu kämpfen, dass schier niemand zusammenarbeiten möchte mit ihnen und dass ihnen Wähler davonlaufen. Gerade auch in den Städten. Zuletzt etwa bei den Landtagswahlen in der Steiermark und in Vorarlberg, wo sie in Graz sowie in Bregenz und Dornbirn etwa ein Drittel ihres bisherigen Stimmenanteils verloren haben. Sie können sich nur neu ausrichten und auf bessere Zeiten hoffen.

Zumindest um einen Beitrag zu einer Neuausrichtung bemüht sich Pühringer: Die Betriebswirtin, die auch schon für die Armutskonferenz tätig gewesen ist, setzt inhaltlich nicht nur auf Klima-, sondern auch auf Sozialpolitik. Das entspricht den Sorgen und Nöten vieler Menschen. Stichwort Teuerung, Stichwort Arbeitslosigkeit. Pühringer ist halt noch weit entfernt davon, dass ihre Inhalte bei einer Masse ankommen und vor allem auch überzeugend wirken. Das allein bringt Wahlerfolge.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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