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Van der Bellens Unglück

27-12-2024, 08:48

Gastkommentar von Johannes Huber. Gerade für den Bundespräsidenten läuft die Regierungsbildung übel. Nachdem er Kickl ausgelassen hat, hätte sich die Alternative besonders vielversprechend entwickeln müssen. Das tut sie jedoch ganz und gar nicht.

Zuletzt war Bundespräsident Alexander Van der Bellen bemüht, am unsäglichen Verlauf der Regierungsverhandlungen etwas Positives zu erkennen. „Vergessen wir nicht, dass Gründlichkeit einen Wert hat“, meinte er zu Weihnachten: „Unsere Zukunft soll schließlich auf starken und tragfähigen Beinen stehen.“

In Wirklichkeit hat Van der Bellen die Kontrolle verloren: ÖVP-Chef Karl Nehammer schafft es nicht, den Regierungsbildungsauftrag, den er ihm vor zwei Monaten erteilt hat, in überschaubarer Zeit und so zu erfüllen, dass das Ganze auch nur von einer knappen Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher gutgeheißen wird. Gutgeheißen in dem Sinne, dass zumindest 50,1 Prozent finden, dass hier um notwendige Reformen gerungen wird; dass es sich um ein vernünftiges, sinnvolles Ringen von Türkisen, Roten und Pinken handelt.

Stattdessen nimmt eine Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher dies wahr: Nehammer bringt mit Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) nichts weiter. Sie haben Wochen gebraucht, um sich auch nur auf das Ausmaß der Budgetsanierung zu verständigen, das in den kommenden Jahren zu bewältigen ist. Inhaltlich trennt sie jedoch nach wie vor viel. Stichwort Vermögenssteuern, auf die Babler drängt. Abgesehen davon ist nichts in Sicht, was als großes „Leuchtturmprojekt“ durchgehen könnte.

Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass ein großes Gemurkse läuft. Das ist fatal: Gerade wenn es anders wäre, hätten Nehammer und Co. dem längst entgegentreten und entsprechende Überschriften durchsickern lassen müssen. Sie haben es nicht getan und laufen daher Gefahr, selbst beim Zustandekommen einer Zusammenarbeit von einer Masse von vornherein abgeschrieben zu werden.

Das setzt auch Van der Bellen zu: Sehr viele Menschen verstehen bis heute nicht, warum er FPÖ-Chef Herbert Kickl beim Regierungsbildungsauftrag ausgelassen hat. Er hat Argumente genannt. Zum Beispiel Kickls Haltungen zu Europa und dem Ukraine-Krieg. Im Übrigen hat er darauf hingewiesen, dass weder Nehammer noch Babler bereit sind, mit ihm zu koalieren. Das Problem ist jedoch, dass das eben für sehr viele Menschen in Österreich nicht überzeugend genug ist. Und dass sich Kickl mit der FPÖ in Umfragen daher schon Richtung 40 Prozent bewegt.

Umso wichtiger wäre es auch für Van der Bellen, dass der Regierungsbildungsauftrag, den er Nehammer erteilt hat, ordentlich erfüllt wird. Dass die Ergebnisse so stark sind, dass niemand mehr über Kickl redet. Damit zu rechnen ist jedoch nicht. Nehammer liefert als Regierungsbildungs-Beauftragter bisher nicht ansatzweise, was er liefern sollte.

Kickl kann’s gefallen: Er profitiert ohnehin schon davon, dass in den Augen nicht weniger Menschen in Wirklichkeit ihm das Kanzleramt zustehen würde. Und er profitiert nun auch davon, dass das, was stattdessen kommt, dabei ist, alles andere als überzeugend zu werden.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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