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Warum Frauen blau wählen

Heute, 09:20

Gastkommentar von Johannes Huber. Die FPÖ legt nicht so sehr bei Männern, sondern bei Frauen zu. Vor allem auch dadurch kommt sie von einem Wahlerfolg zum nächsten. Ein paar Erklärungen dafür.

Die FPÖ ist eine Männerpartei. Bezeichnend: Im Nationalratsklub, der von Parteichef Herbert Kickl geführt wird, beträgt der Frauenanteil gerade einmal 23 Prozent. Bei der ÖVP handelt es sich um 35, bei der SPÖ um 41, bei Neos um 44 und bei Grünen um 56 Prozent, also viel mehr.

Im neuen steirischen Landtagsklub der FPÖ beträgt der Frauenanteil überhaupt nur sechs Prozent: Von den 17 Abgeordneten sind 16 Männer. Worauf ist das zurückzuführen? Die Partei hat, wenn man so will, eine zutiefst männliche Tradition. Ein wesentlicher Teil von ihr kommt aus Burschenschaften. Thematisch und von ihren Zugängen her steht sie im Übrigen für Autorität und Härte. Verkörpern Linke in Erziehung, aber auch Politik frei nach dem amerikanischen Linguisten George Lakoff eher „fürsorgliche Eltern“, die diskutieren und aufeinander eingehen, entsprechen Freiheitliche mehr dem Typ „strenger Vater“, der bestimmt, was zu sein hat und auf den Tisch haut, wenn’s Widerspruch gibt.

Das alles sind Erklärungen dafür, dass freiheitliche Funktionäre zu einem sehr hohen Teil männlich sind. Dazu kommt ein Gesellschaftsbild, das dazu tendiert, dass sich die Frau um Haushalt und Kinder kümmert und das Politische dem Mann überlässt.

Wegen alledem werde die FPÖ auch eher von Männern als von Frauen gewählt, hat man bisher gemeint. Bei der Nationalratswahl 2019 beispielsweise gaben kaut ORF/Foresight-Erhebung 21 Prozent der Männer, aber nur elf Prozent der Frauen der Partei ihre Stimme. Es entsprach der Normalität jener Zeit.

Mittlerweile ist das anders. Bei den letzten fünf Parlamentswahlen in Österreich, also bei der Nationalrats- und bei der EU-Wahl sowie bei den Landtagswahlen in Salzburg, Vorarlberg und der Steiermark haben Kickl und Co. bei Frauen alles in allem gut zweimal stärker zugelegt als bei Männern. Bei der Nationalratswahl gaben nunmehr 28 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer der FPÖ ihre Stimme, also fast gleich viele.

Wie gibt’s das? Sehr wahrscheinlich hat es zunächst mit den Problemen der Gegenwart zu tun. Beispiel Teuerung. Sie trifft Frauen nicht weniger als Männer, ja zum Teil viel stärker. Für Alleinerzieherinnen etwa hat sich die finanzielle Lage dramatisch verschlechtert. Der Anteil jener, die nur (sehr) schwer über die Runden kommen, ist laut Statistik Austria um die Hälfte auf über 30 Prozent gestiegen.

Das allein müsste noch nicht bedeuten, dass es einen größeren Teil der Frauen zur FPÖ zieht. Da kommt mehr ins Spiel: Zum einen eine Vertrauenskrise von Regierenden, also Türkisen und Grünen, aber auch Schwierigkeiten, die Sozialdemokaten mit sich selbst haben. Zum anderen eben eine Stimmungslage, die von der Befürchtung geprägt ist, dass alles den Bach runtergeht und sich die Lebensverhältnisse verschlechtern. These: Vor diesem Hintergrund kann Kickl mit seiner Erzählung, dass er sich im Unterschied zu Nehammer, Babler und wem auch immer ausschließlich den Sorgen und Nöten der Menschen widme, ja dass er als „Volkskanzler“ nichts anderes tun würde, punkten.

Auch bei Frauen. Durch seine asketisch wirkende Lebensweise, die er zum Ausdruck bringt, indem er sich von Society-Events, Szenelokalen und großen Partys fernhält, vermittelt er schließlich, dass er nicht so sei wie Politiker, die im Allgemeine halt so wahrgenommen werden: Abgehoben, ahnungslos in Bezug auf Alltagssorgen etc. Behauptung: Das verstärkt seine Anziehungskraft. Und zwar unabhängig vom Geschlecht.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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