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Viennale: Österreich-Premiere für "Averroès & Rosa Parks"

18-10-2024, 05:00

"Averroès & Rosa Parks" - Fortsetzung von "Auf der Adamant" - feiert am Freitag bei der Viennale Österreich-Premiere.

Im vergangenen Jahr gewann Nicolas Philibert mit "Auf der Adamant", einem "Wohlfühlfilm" über Menschen mit psychischen Erkrankungen, den Goldenen Bären auf der Berlinale. Jetzt ist der französische Dokumentarfilmer mit "Averroès & Rosa Parks" zurück, dem zweiten Teil einer Trilogie, die für mehr Menschlichkeit plädiert. Es ist ein strengerer Film als sein Vorgänger, introvertierter, aber nicht minder sympathisch.

"Averroès & Rosa Parks" anders

Der neue Film von Nicolas Philibert beginnt mit der Luftaufnahme einer Drohne, die das Hôpital Esquirol am Rande von Paris, abtastet. Jemand merkt an, dass es ein bisschen wie ein Gefängnis aussieht und tatsächlich, sagt auch ein Arzt später im Film, ähnelten psychiatrische Anstalten früher eher Gefängnissen. Heute sind in der riesigen Anlage zwei Abteilungen der Psychiatrie untergebracht, benannt nach dem arabisch-andalusischen Gelehrten Averroes und der schwarzen Bürgerrechtlerin Rosa Parks. Die Einrichtung betreibt auch das schwimmende Therapieschiff "Adamant", dem Philibert seinen preisgekrönten Vorgängerfilm widmete.

"Auf der Adamant" (2023) war ein erbaulicher Film. Am rechten Ufer der Seine tummelten sich Menschen mit psychischen Problemen auf einem kunsttherapeutischen Klinikschiff. Da wurde gesungen, gelacht und über die Filme von Fellini diskutiert. "Averroès & Rosa Parks" ist anders. Anspruchsvoller, ernster und fast monoton. Die Atmosphäre im Krankenhaus ist ganz klar eine andere, der Ort ist viel kahler und die Patienten, die dort gelandet sind, haben Schwierigkeiten, zurück ins Leben zu finden.

"Ich wurde buchstäblich zu Nietzsche"

Der französische Menschenfreund Philibert ist wie immer eine Fliege an der Wand. Er greift nicht ein, er beobachtet nur, und der Großteil seines Films ist nicht viel mehr als Patienten im Gespräch mit Ärzten und Therapeuten, die eine Engelsgeduld zu haben scheinen. Olivier, ein junger Mann, ist davon überzeugt, dass die Töchter anderer Leute seine eigenen sind. Noé, ein jüdischer Buddhist, ist ein Hochschullehrer mit Burn-out, Dissident des französischen Uni-Systems und bekennender "Größenwahnsinniger", der sich sehr stark mit den Denkern identifiziert, die er liest. "Ich wurde buchstäblich zu Nietzsche", erinnert er sich an einen Spaziergang. Philibert wettert gegen die Klischees. Tatsächlich sind viele hier belesen, lustig und sogar weise. "Ich bin sokratisch", sagt einer, "ich hinterlasse keinerlei Spuren".

Und obwohl dies nie erwähnt wird - weil "die Fliege" Philibert nichts erwähnt - war das Krankenhaus früher als Charenton-Anstalt bekannt und beherbergte einst so bedeutende Patienten wie den Dichter Paul Verlaine und den Marquis de Sade. Und obwohl das alles fast schon poetisch anmutet, beschönigt "Averroès & Rosa Parks" nichts. Eine alte Frau, die sich am Ende selbst anzündet, wünscht sich einfach nur eine Umarmung. Manchmal hören wir aus dem Off in der Ferne auch Schreie von Patienten. Philibert ist nicht der Typ, der mit seiner Kamera draufhält, um menschliches Leid zu zeigen. Er möchte aber auch nicht, dass wir vergessen, wo wir sind. Und es wird deutlich, wie viel von dem, was gesagt wird, einfach ein extremes Ergebnis unserer extremen Außenwelt ist. Wahnsinn, so scheint es, ist die einzig vernünftige Antwort auf eine wahnsinnige Welt.

(APA/Red)

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