Gastkommentar von Johannes Huber. Die SPÖ ist vom Kanzleramt und einer Ampelkoalition so weit entfernt wie noch nie. Was will der Vorsitzende überhaupt noch?
Natürlich: Bei der jüngsten Nationalratswahl hat die ÖVP die meisten Stimmen verloren. Die größere Verliererin ist jedoch die SPÖ. Die ÖVP wird vielleicht weiterhin den Kanzler stellen. Aber die SPÖ: Es war mutig von ihr, auf Andreas Babler und eine klar linke Ausrichtung zu setzen. Wobei: Zweifler waren eh zahlreich. Im Wahlkampf hat sich etwa Doris Bures zu ihnen gesellt. Wie auch immer: Mutig war es, weil in Österreich eher eine mitte-rechts-konservative Mehrheit besteht. Und weil sie kaum gebrochen werden kann. Auch Babler ist jetzt gescheitert daran: ÖVP und FPÖ kommen zusammen auf 55 Prozent.
Die SPÖ ist erstmals in der Geschichte auf Platz drei gelandet, und das auch noch so abgeschlagen, dass Babler keine Chance aufs Kanzleramt hat. Schlimmer für ihn: Linke Parteien haben insgesamt weiter verloren. Mit der SPÖ geht es tendenziell seit den 1980er Jahren bergab. Heute kommt sie mit Grünen und Kommunisten auf keine 32 Prozent.
Weil es schon lange weniger und weniger Prozent werden, gilt als Traum von Genossen wie Babler zumindest eine „Ampelkoalition“ mit Grünen und Neos, einer Mitte-Partei, die bei vielem dabei ist, nicht aber bei einer Vermögenssteuer oder eine Arbeitszeitverkürzung. Selbst dieser Ampel fehlen seit der Wahl jedoch gut zehn Prozentpunkte auf eine Mehrheit.
Da muss man sich die Frage stellen, was Babler überhaupt noch will. Sollte die Antwort lauten, ihm sei es wichtig, an Türkis-Rot mitzuwirken, wäre das bitter für ihn: Ihn, den leidenschaftlichen Kämpfer, würde es in einer solchen Koalition aufreiben; da ist ein Pragmatiker der Macht gefragt. Allenfalls liefern könnte Babler in der Opposition; da könnte er Kante zeigen.
Andererseits: Überhaupt die größte Niederlage für die SPÖ bei dieser Nationalrastwahl ist, dass es Babler nicht gelungen ist, Arbeiter oder Angehörige der unteren Mittelschicht zu gewinnen. Das ist alarmierend für sie.
Woran liegt es? In Österreich sehen viele Menschen im europäischen Vergleich eine Verschlechterung des Lebensstandards. Kickl bietet ihnen Antworten an, die sie überzeugen. Gut meint er es nicht, wie er etwa dadurch verrät, dass er „die da oben“ ausdrücklich „treten“ möchte. Als würde eine solche Form von Lynchjustiz irgendetwas bringen.
Jetzt hätte man glauben können, dass Babler dem etwas entgegensetzen kann. Immerhin tritt er glaubwürdig als jemand auf, der die Probleme von Menschen kennt, die kaum über die Runden kommen. Dass er bei ihnen jedoch so gar nicht angekommen ist, überrascht zunächst. Andererseits: Wer als Marxist abgestempelt ist, hat es schwer. Wer keine fünf Minuten in vollständigen Sätzen reden kann, ohne sich zu versprechen, ebenfalls. Wer von eigenen Freunden ständig öffentlich kritisiert wird, sowieso.
Und wer aus der SPÖ kommt sowie wirklich bekennender Linker ist, hat darüber hinaus ein doppeltes Handicap: Der Partei mangelt es an Glaubwürdigkeit. Viele Menschen trauen ihr nicht mehr zu, die Lebensverhältnisse verbessern zu können. Und Linke wiederum bilden in Österreich insgesamt eine klare Minderheit. Wichtiger: Aus Sicht einer Mehrheit ist das, was sie – bzw. zum Beispiel eben Babler – fordern, nicht etwas Zulässiges, was die demokratische Auseinandersetzung erweitern könnte, sondern etwas, worüber nicht einmal geredet werden darf. Stichwort Vermögenssteuer. Da ist es kein Wunder, dass es eng wird für sie.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik