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Wenn selbst Wien fast untergeht

19-09-2024, 16:53

Gastkommentar von Johannes Huber. Die Klimakrise hat grüßen lassen, die Hochwasserkatastrophe wird politisch aber ohne wesentliche Konsequenzen bleiben. Nehammer mag Kickl als Kanzler verhindern, das heißt in dieser Frage jedoch wenig.

Der Wienfluss schwappte über, immer wieder floss Wasser über eine Mauer auf darunterliegende U-Bahn-Gleise: Dieses Bild vom vergangenen Sonntag wird bleiben. Es steht für eine Zäsur: Die Bundeshauptstadt ist unglaublich gut vor Hochwasser geschützt. Es gibt Rückhaltebecken, Wehre und die Donauinsel, alles in allem Bauwerke, die auf die größte Flut ausgerichtet sind, die es jemals gegeben hat in Mitteleuropa und die sich im Jahr 1501 ereignete. Allein: Ob das in Zeiten wie diesen noch genug ist, ist seit dem Wochenende ungewiss.

Die Donau war nicht das Problem. Das Problem waren die schweren Regenfälle im Westen der Stadt; und dass für den Abfluss vorübergehend nicht einmal mehr der Wienfluss mit all seinen Systemen zu reichen schien. Kein Wunder: Bei der zuständigen MA 45 hat man festgestellt, dass es sich um ein 1000-jährliches Hochwasserereignis handelte.

So etwas hat man in Österreich noch nie erlebt. Bei einem 300-jährlichen Hochwasser stünden weite Teile des Rheintals in Vorarlberg oder der Landeshauptstädte Linz und Graz unter Wasser. Vom Tullnerfeld nicht zu reden. Was da erst bei einem 1000-jährlichen Hochwasser wäre, kann man sich nicht ausmalen. Es hat etwas Apokalyptisches. Schlimmer: Es ist nichts unmögliches mehr, wie ÖVP-Chef, Kanzler Karl Nehammer bisher vermittelte; und es hat auch nichts mit Klimahysterie zu tun, wie FPÖ-Obmann Herbert Kickl tut. Ein 1000-jährliches Hochwasser ist etwas geworden, womit man rechnen muss.

Es wird politische Konsequenzen geben. Wie stark und wie genau sie ausfallen werden, wird man am Abend der Nationalratswahl wissen. Einiges spricht dafür, dass sich Kickl vom Ziel Kanzleramt wieder entfernt hat. Eine OGM-Umfrage sieht ihn schwächeln, ortet nur noch einen kleinen Vorsprung der FPÖ vor der ÖVP. Das wäre ein Ergebnis, bei dem Kickl keine großen Ansprüche erheben könnte. Bei dem sich Nehammer leichttun würde, zumindest auszuloten, ob auch eine „Große Koalition“ von ÖVP, SPÖ und Neos oder Grünen gehen würde. Vorteil für ihn: Er könnte Kanzler bleiben.

In Klimafragen macht es jedoch keinen großen Unterschied, ob das Land künftig blau oder türkis geführt wird. Nehammer würde sich eher auf Maßnahmen beschränken, die helfen, mit Hitze oder eben Hochwasser fertig zu werden. Sprich: Mehr Schutzbauten und immer wieder so viel Opferhilfe wie nötig. Beides ist wichtig. Es wäre aber auch wesentlich, Zersiedelung und damit einhergehende Bodenversiegelung zu stoppen; und darauf zu achten, dass künftig nur noch dort gebaut wird, wo das Hochwasserrisiko gleich null ist.

Darüber hinaus wird es Zeit für eine ernsthafte Klimapolitik. Es muss Schluss sein mit Ausreden wie jenen, dass es sich dabei um eine verwerfliche Ideologie handle oder dass stattdessen Hausverstand gefragt wäre. Das dient hier lediglich als Vorwand, sich nicht anstrengen zu müssen.

Es muss auch Schluss sein mit dem Hinweis, dass das kleine Österreich nicht viel ausrichten könne: Jeder hat so viel zu leisten, wie er kann. Da kann auch das kleine Österreich aufzeigen.

Es ist nicht mehr Fünf vor Zwölf, es hat Zwölf geschlagen. Das hat man am vergangenen Wochenende am Wienfluss gesehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass auf das 1000-jährliche eher früher als später ein weiteres und vielleicht sogar größeres Hochwasser folgen wird, ist, wenn es mit dem Klimawandel und der Erwärmung es Mittelmeers so weitergeht, alles andere als vernachlässigbar klein. Dem sollte man sich stellen. Ganz nüchtern.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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