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Warum Kickl nicht zu stoppen ist

6-09-2024, 08:45

Gastkommentar von Johannes Huber. Die Mitte hat versagt, vor allem die ÖVP stärkt freiheitliche Politik. Daher bleibt auch eine blau-türkise Koalition wahrscheinlich.

Der Schauspieler Cornelius Obonya, der Präsident der Israelitischen Kulturgemeinde, Oskar Deutsch, der Verfassungsrechtler Heinz Mayer und andere Prominente haben sich an 1500 Männer und Frauen gewendet, die auf Parteilisten bei der Nationalratswahl kandidieren. Ihr Ziel: eine Regierungsbeteiligung der FPÖ verhindern. Grund: Andernfalls würde (sinngemäß) eine Orbanisierung drohen.

Man sollte davon ausgehen, dass diese Warnung nichts bringt. Österreich ist nicht Deutschland, wo die AfD zwar stark ist, aber niemand mit ihr zusammenarbeiten möchte. Hierzulande sind Freiheitliche stark und gibt die ÖVP derzeit lediglich vor, ein Problem mit Kickl zu haben. Darüber hinaus hat sie keines mit Blauen. Siehe auch die Koalitionen in Salzburg und Niederösterreich.

Blau-Türkis inklusive Kickl nach der Nationalratswahl bleibt ein Szenario, das alles andere als unwahrscheinlich ist. Erstens: Kickl und die übrigen Freiheitlichen sind diejenigen, die die Politik bestimmen. Mit jedem durchgeführten oder versuchten Anschlag eines Islamisten werden sie automatisch gestärkt. Zumal ihrer Darstellung, dass das eine logische Folge der Zuwanderungspolitik der vergangenen Jahre sei, kaum noch widersprochen wird; zumal die Antworten, die sie anbieten („Asylstopp“, „Remigration“), daher alternativlos wirken. Und zumal es bei anderen größeren Parteien entweder nur darum geht, wie weit sie es sich leisten wollen, dieser Darstellung zu widersprechen oder darum, wie sehr sie sie bestätigen mögen.

Zweitens: Das leitet über zur ÖVP, die gerade mit dem Schmäh daherkommt, eine „starke Mitte“ zu sein. Wäre sie eine solche, hätte gerade sie, die seit einer gefühlten Ewigkeit (fast) alle Innen- und Integrationsminister stellt, für ganz andere Verhältnisse gesorgt: Zuwanderung und Asyl wären in den Augen der meisten Menschen bewältigbare Herausforderungen geblieben. Es wäre allen klar, welche Spielregeln hierzulande gelten. Es hätte sich in Summe nicht der Eindruck durchgesetzt, dass hier einfach nur Kontrollverlust und Chaos herrschen.

Schlimmer: Die ÖVP bemüht sich spätestens seit Sebastian Kurz, Freiheitliche zu kopieren. Tagein, tagaus ortet sie empört „Zuwanderung ins Sozialsystem“, kündigt ständig Verschärfungen an, einmal da, einmal dort. Dabei fällt ihr nicht einmal auf, dass sie, die in diesem Land für fast alles zuständig ist, damit auch eingesteht, zu versagen.

Ergebnis: Kickl ist nicht zu stoppen. Sehr viele Wähler tendieren wieder zum Original, also zu ihm und der FPÖ. Die ÖVP zwingt sich, allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz, geradezu selbst, nach dem 29. September mit ihnen zu koalieren.

Das bringt sie unfreiwillig deutlich zum Ausdruck: In den vergangenen Wochen und Monaten hat sie zum Beispiel gezeigt, dass sie mit Grünen nicht mehr kann. Hauptgrund: Mit ihnen an der Seite ist es unmöglich, Rechts-der-Mitte-Politik zu machen. Das wäre auch mit Sozialdemokraten und Pinken unmöglich in dieser Form. Das geht nur mit Freiheitlichen. Kickl darf sich freuen.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analyse und Hintergründe zur Politik

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