Gastkommentar von Johannes Huber. In weiten Teilen des Landes herrschen Abwanderung und Geburtenrückgänge. Das geht in diesem Wahlkampf vollkommen unter.
Die Wahlkampfthemen: Zuwanderung, Zuwanderung, Zuwanderung. Wobei es zu einfach wäre, zu behaupten, FPÖ-Chef Herbert Kickl habe es geschafft, das einfach so durchzusetzen. Zum einen gibt es Türkise wie Integrationsstaatssekretärin Susanne Raab und Innenminister Gerhard Karner, die bemüht sind, ihn zu kopieren und die ihn dadurch verstärken. Zum anderen wäre es daneben, zu ignorieren, was ist: In den vergangenen Jahren sind sehr viele Menschen nach Österreich gekommen.
Zweitens: Wien ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass Probleme nicht nur auf eine mangelnde Bereitschaft zurückzuführen sind, den Herausforderungen gerecht zu werden. In der rot-pink geführten Stadt bemüht man sich um Lösungen. Einen Bandenkrieg in den vergangenen Monaten hat man jedoch nicht verhindern können. Genausowenig wie eine Überforderung von Schulen aufgrund eines verstärkten Familiennachzugs.
Insofern ist es nachvollziehbar, dass es im Wahlkampf um Zuwanderung geht. Aber muss man eine Festung Österreich fordern, wie Kickl es tut, muss man dafür sorgen, dass alle, die kommen, in den ersten Jahren keine Sozialhilfe erhalten können, wie er und die ÖVP es wollen? Kann man sich umgekehrt Zuwanderer aussuchen, die man braucht, um dem Fachkräftemangel gerecht zu werden, wie sie vorgeben? Nein, nein und noch einmal nein.
Hier geht es um billige Stimmungsmache: In Krisenzeiten haben nicht wenige Menschen das Gefühl, dass alles schlechter wird; umso weniger Verständnis haben sie, dass Neuankömmlingen aus entfernten Staaten geholfen wird. Ist man einfach gestrickter Populist, knüpft man daran an und kommt etwa mit einer Bezahlkarte für Asylwerber daher, sorgt dafür, dass sie nicht einmal die paar Euro, die sie erhalten, so ausgeben können, wie sie wollen. Sprich: Man signalisiert, dass man es nicht gut meint mit diesen Leuten.
Damit verbaut man sich auf der anderen Seite aber eben kontrollierte Zuwanderung: Längst gibt es einen globalen Wettbewerb um Fachkräfte. Wer aber soll schon nach Österreich wollen, wenn Fremde hier nicht ordentlich behandelt werden? Wenn man als Fachkraft keine Sicherheiten erhält; wenn man nicht weiß, ob man eine Sozialhilfe bekommt, falls man aus irgendeinem Grund abstürzt? Laut einer OECD-Studie ist Österreich kein besonders attraktives Zielland für Fachkräfte. Das hat mit hohen Steuern, aber auch fehlender Willkommenskultur zu tun.
Ja, Willkommenskultur. Das ist ein Schimpfwort geworden, es steht für unkontrollierte Zuwanderung, für Naivität und Wegschauen. Das gehört geändert und es ist Aufgabe der Politik, dazu beizutragen. Durch Klarheit anstelle von Bösartigkeit. Sei es bei Asylverfahren oder bei der Integration. Kleines Beispiel: Es ist zu billig, zu verlangen, dass Zuwanderer zu sein hätten wie wir. Was heißt das? Einer Leitkultur entsprechen?
Die ÖVP hat damit angefangen, sich dann aber mit dem Slogan „Tradition statt Multikulti“ verstolpert und es dann sein lassen. Was bleibt, ist Unklarheit: Was wird jetzt erwartet von den Leuten? Dass sie Dirndl oder Lederhosen tragen? In Wirklichkeit würde es darum gehen, dass sie erfahren, dass in Österreich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gelten; dass Toleranz unter anderem gegenüber Anders- oder Nichtgläubigen ein zentraler Wert ist; und dass zum Beispiel sowohl Leistung also auch Solidarität gefordert sind. Alles in allem muss jeder wissen, was zu akzeptieren ist. Punkt.
Das ist umso wichtiger, als Österreich Zuwanderung braucht. In weiten Teilen des Landes herrschen Abwanderung und Geburtenrückgänge. In ländlichen Gebieten Niederösterreichs, der Steiermark und Kärntens fehlen zunehmend Menschen, die Jobs erledigen und dazu beitragen, dass überhaupt noch Wirtshäuer und Supermärkte bestehen, ja ein gesellschaftliches Leben existieren kann. Da sollte man aufhören, Zuwanderung ablehnend bis distanziert zu sehen – und beginnen besser damit umzugehen.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik