logo



[email protected]

Ludwig zeigt’s Babler

16-08-2024, 08:33

Gastkommentar von Johannes Huber. Zuwanderung und Integration sind wahlentscheidend. Wer glaubt, das ignorieren zu können, riskiert eine Niederlage.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig wird gerne als Gegenpol zum burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil innerhalb der Sozialdemokratie dargestellt. Dieser stehe rechts, er links. Das greift jedoch zu kurz: Wenn’s draufankommt, ist Ludwig pragmatisch. Das unterscheidet ihn nicht zuletzt auch vom Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler, einem überzeugten, ja konsequenten Linken.

Wenn Ludwig merkt, dass es eng wird für die SPÖ, setzt er Akzente. 2018, als nicht einmal mehr in Wien eine türkis-blaue Mehrheit ausgeschlossen war, verordnete er ein Alkoholverbot für den Praterstern und bekräftigte einen Bonus für alle, die schon länger in der Stadt leben. Einen solchen hatte er einst für Wohnungsvergaben eingeführt. Jetzt sprach er sich für eine Ausweitung aus. Auch in anderen Bereichen sollten Wienerinnen und Wiener zuerst drankommen. Wer zuwandert, sollte sich wie an der Supermarkt-Kasse hinter ihnen anstellen müssen, so Ludwig sinngemäß.

Das war eine gezielte Botschaft an all jene, die das Gefühl haben, dass Zuwanderer besser behandelt werden; die glauben, dass sie selbst zu kurz kommen und benachteiligt werden. Dieses Gefühl ist sehr verbreitet und trägt unter anderem dazu bei, dass Wähler von der SPÖ zur FPÖ wechseln, die ja Zuwanderung stoppen oder zumindest stark einschränken möchte.

Zwischendurch hat Ludwig auf solche Akzente verzichtet. Das kann man ihm vorwerfen, geht damit doch der Eindruck einher, dass er sie nur setzt, wenn Freiheitliche auf dem Vormarsch sind. Wie derzeit. Also fordert Ludwig aufgrund von Bandenkriegen und Messerstechereien eine stadtweite Waffenverbotszone sowie mehr Polizei. Also spricht er sich für eine Reform der Mindestsicherung aus, weil Otto Normalverbraucher schwer zu erklären ist, warum eine neunköpfige Familie aus Syrien 4600 Euro pro Monat bekommt. Er drängt daher plötzlich auf eine bundeseinheitliche Regelung und eine Abwicklung der Sozialhilfe über das AMS; bei Beziehern jedenfalls, die arbeitsfähig sind. So soll gewährleistet werden, dass sie möglichst schnell zu einem Job kommen.

Man kann sich wundern darüber, warum derlei nicht von SPÖ-Chef Babler kommt. Mag sein, dass er über seinen Schatten springen müsste. Wenn er dazu aber nicht in der Lage ist, wird es schwer für ihn, bei der Nationalratswahl am 29. September groß zu punkten.

Es geht hier nicht darum, rechts zu blinken. Indem sich Babler aber weiterhin zurückhält beim Thema Zuwanderung und Integration, das laut EU-Wahltagsbefragung in den Augen einer Masse wieder ganz oben steht, dann sorgt er für Irritationen. Dann gibt er zu verstehen, dass es aus seiner Sicht nebensächlich ist.

Damit riskiert er viel: Auch in der Wählerschaft gibt es nicht einfach nur überzeugte Linke oder Rechte, die über einen unverrückbaren Standpunkt verfügen und daher fixe SPÖ- oder FPÖ-Anhänger sind. Nicht wenige ticken einmal so und einmal so, werden allein wegen der 4600-Euro-Mindestsicherungsgeschichte vielleicht sagen, dass das jetzt aber wirklich zu weit geht und sie daher blau und nicht rot wählen müssen.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

Nachrichtenquelle


© 2017-2024 wienpress.at [email protected]