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Missgunst und Neid

9-08-2024, 08:50

Gastkommentar von Johannes Huber. 4600 Euro Mindestsicherung für eine syrische Großfamilie in Wien. Oder: Wie entlarvend Reaktionen von rechts sind. Und wie weit daneben linke Antworten darauf sind.

Es gehe hier nicht um Missgunst und Neid, wird immer wieder betont. In Wirklichkeit tut es das aber sehr wohl: Die Gratiszeitung „Heute“ hat Ende Juli berichtet, dass eine syrische Großfamilie mit sieben Kindern in Wien – inklusive Wohnbeihilfe – 4600 Euro Mindestsicherung im Monat erhalte. Und zwar fürs „Nichtstun“, wie das Blatt, den freiheitlichen Klubobmann Maximilian Kraus zitierend, hinzufügte. Türkise Politiker bis hinauf zu Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) übernahmen diese Darstellung: Es sei ein „Angriff auf alle, die täglich aufstehen und zur Arbeit gehen“, es verhöhne all jene, die mit ihren Steuern „unser soziales Netz finanzieren“.

Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, um sich in die Hängematte zu legen und sich ein gemütliches Leben finanzieren zu lassen? So wirkt das Ganze. Umso weniger Verständnis kann man sich von einer breiten Masse für die 4600 Euro für eine einzige Familie erwarten. SPÖ-Sozialstadtrat Peter Hacker macht die Sache nicht besser, sondern verstärkt das Problem eher, wenn er patzig antwortet, es gebe viele Leute, die in Österreich geboren sind und ihren Hintern nicht hochbekommen würden. Was erwartet er sich? Dass man als Steuerzahler sagt: „Ok, wir überweisen trotzdem bedingungslos allen, die nicht arbeiten wollen, viel mehr Geld als sie selbst durch einen Job zusammenbringen würden“? Ist das der Zugang von Hacker und Genossen?

Natürlich: Hier überwiegt Zynismus. Auf der einen wie auf der anderen Seite: Rechte tun so, als würden Geflüchtete fleißigen Inländern nur zur Last fallen; und Linke wie eben Hacker vermitteln den Eindruck, dass man ihnen unter allen Umständen die Existenz sichern müsse. Beides ist in dieser Form daneben. Aber das wird in Kauf genommen. Es ist Wahlkampf.

2022 kostete die Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe österreichweit knapp eine Milliarde Euro. Quelle: Statistik Austria. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Selbst wenn es heute mehr ist, handelt es sich noch immer nur um gut ein Prozent des gesamten Steueraufkommens, das das Finanzministerium in einem Jahr verzeichnet. Anders ausgedrückt: Von 100 Euro an Steuereinnahmen geht ungefähr ein Euro in die Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe.

Selbstverständlich: Das ist noch keine Rechtfertigung dafür, einer Großfamilie einfach bedingungslos 4600 Euro fürs „Nichtstun“ auszuzahlen. Im konkreten Fall sollte man jedoch zwei Dinge beachten: Es geht vor allem auch um Kinder, für die es eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung gibt. Außerdem: Ist das Geld wirklich fürs „Nichtstun“ der Eltern? Es lässt tief blicken, dass die konkreten Umstände nicht weiter erörtert werden.

Die Mindestsicherung ist eine Unterstützung für all jene, die es brauchen. Asylberechtigten soll sie in der Zeit helfen, in der sie ankommen, Deutsch lernen und sich für den Arbeitsmarkt qualifizieren, also ohne Geld dastehen. Bedingungslos ist das nicht. Im Gegenteil: Ihre Leistung dafür ist, ihr maximal Mögliches zu leisten, um bald selbst zu einem ordentlichen Einkommen zu gelangen.

Das ist verhängnisvollerweise nicht Gegenstand der Debatte, hat aber auch damit zu tun, dass es von Leuten wie Hacker nicht klargestellt wird: Sie verabsäumen es, herauszuarbeiten, worum es bei der Unterstützung geht; sie vernachlässigen es, deutlich zu machen, dass damit auch Pflichten für die Bezieherinnen und Bezieher verbunden sind und dass es Kontrollen geben muss, die verhindern, dass sich Einzelne einfach nur durchfüttern lassen, weil sie meinen, dass sich Arbeit nicht lohne.

Das Ergebnis ist, dass in weiten Teilen der Bevölkerung der Glaube vorherrscht, dass Missbrauch überwiegt und dass man als arbeitender Mensch der Dumme ist; ja, dass Missgunst und Neid bei all jenen aufkommt, die nur wahrnehmen, dass es für eine Großfamilie 4600 Euro fürs (angeblich) Nichtstun gebe, während sie selbst aufgrund der Teuerung zu kämpfen haben.

Johannes Huber betreibt den Blog - Analysen und Hintergründe zur Politik

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