Der Dienstag hat die erste Sitzung des EU-Parlaments nach den Europawahlen im Gepäck.
Dabei werden zahlreiche Spitzenjobs neu vergeben - nicht nur im Parlament selbst, sondern auch für die EU-Kommission. Mit der Malteserin Roberta Metsola und der Deutschen Ursula von der Leyen stehen die amtierenden Präsidentinnen zur Wahl. Die erste Resolution des neuen Parlaments könnte auch den ungarischen Premier Viktor Orban kritisieren, dessen Land seit Juli den Ratsvorsitz innehat.
EU-Parlamentspräsidentin: Metsola ohne Konkurrenz
Die Wiederwahl von Roberta Metsola am Dienstagvormittag dürfte nur eine Formalität sein: Die Politikerin der Europäischen Volkspartei ist die einzige Kandidatin, und genießt unter den EU-Parlamentariern einen guten Ruf. Traditionellerweise wird der Posten des Parlamentspräsidenten für 2,5 Jahre vergeben, obwohl die Legislaturperiode des Parlaments fünf Jahre dauert. Viele Jahre lang wurde der Posten so zwischen der Europäischen Volkspartei und den Sozialdemokraten aufgeteilt. Wer in 2,5 Jahren von Metsola übernimmt oder ob sie selbst länger bleibt, steht noch nicht fest.
Am Mittwochabend soll die allererste Resolution des neugewählten Parlaments verabschiedet werden: Es wird erwartet, dass die Abgeordneten darin ihre Unterstützung für die Ukraine bekräftigen werden. Laut Parlamentskreisen könnte diese Entschließung auch den derzeitigen ungarischen EU-Ratsvorsitz unter Orban kritisieren. Parlamentssprecher Jaume Duch erklärte am Freitag vor Journalisten in Brüssel, derzeit sei keine weitere Resolution (speziell zu Ungarns Ratsvorsitz, Anm.) geplant. Die Agenda könne sich aber kurzfristig ändern.
Keine Worte von Orbán
Orban hatte vergangene Woche mit seiner selbst ernannten "Friedensmission" bei Russlands Präsident Wladimir Putin für Aufregung gesorgt. Ungarn hatte in den letzten Monaten auch mehrere EU-Entscheidungen zur Unterstützung der Ukraine blockiert. Das Parlament forderte bereits vor einem Jahr mit großer Mehrheit eine Aussetzung der ungarischen Ratspräsidentschaft. Kommende Woche bei der ersten Plenartagung während des ungarischen turnusmäßigen Vorsitzes wird Orbán laut Parlamentsagenda nicht sprechen. Er soll erst im September die Prioritäten seines Landes vorstellen. Üblich ist, dass dies bei der ersten Sitzung geschieht.
Für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommt am Donnerstag der Moment der Wahrheit: Das Europaparlament stimmt über eine zweite Amtszeit der 65-jährigen Deutschen ab. Diese Woche warb von der Leyen hinter verschlossenen Türen bereits um Stimmen. Sie stand den Abgeordneten ihrer eigenen EVP, der Sozialdemokraten, der Liberalen und der Grünen in mehrstündigen Anhörungen Rede und Antwort. Danach wollten sich aber die wenigsten auf eine Entscheidung festlegen. Am positivsten äußerten sich noch die Grünen, die ein Ja zu von der Leyen von Zugeständnissen zur Umsetzung des Green Deals abhängig machen.
Von der Leyen braucht absolute Mehrheit
Die deutsche CDU-Politikerin sollte eigentlich mit den Stimmen ihrer EVP, der Sozialdemokraten und der Liberalen für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt werden. Für eine Wiederwahl benötigt die Kommissionschefin eine absolute Mehrheit von 361 Stimmen. Zusammen verfügen die drei Fraktionen zwar über 401 der 720 Sitze, aber auch unter ihnen dürfte es Abweichler geben, die nicht für von der Leyen stimmen werden. 2019 erhielt sie nur neun Stimmen mehr als notwendig.
Eine Zusammenarbeit mit der neugegründeten Rechtsaußen-Fraktion "Patrioten für Europa", der auch die FPÖ angehört, schloss sie aus, nicht aber mit den nationalistischen Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Dem neuen EU-Parlament wird neben diesen beiden Fraktionen ein weiteres Rechtsaußen-Bündnis angehören: die von der deutschen AfD gegründete Fraktion "Europa Souveräner Nationen". Österreich ist in der EKR und bei den "Souveränen Nationen" nicht vertreten.
Ankündigung von "Patrioten"
Die 720 EU-Abgeordneten - darunter 20 aus Österreich - wählen am Dienstag und Mittwoch zudem 14 Vizepräsidenten sowie die mit Verwaltungsaufgaben betrauten fünf Quästoren. Die "Patrioten" kündigten bereits an, dass sie laut der Anzahl ihrer Mandatare Anspruch auf mindestens zwei Vizepräsidenten hätten.
Zum Abschluss der Plenarwoche am Freitag entscheiden die Abgeordneten über die Anzahl und Zusammensetzung der ständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments. Über die Größe und Art der Ausschüsse entscheidet die Präsidentenkonferenz aus Fraktionsvorsitzenden und Präsidentin. Nach der konstituierenden Plenarsitzung werden die Ausschüsse am 23. Juli in Brüssel ihre ersten Sitzungen abhalten, um ihre jeweiligen Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden (Präsidium) zu wählen.
Veränderungen durch EU-Wahl
Für Österreich sitzt diesmal ein Abgeordneter mehr in Straßburg und Brüssel. Die brachte einige Veränderungen: So hat die FPÖ nun mit sechs (bisher 3) die meisten heimischen Mandatare, danach folgen mit jeweils fünf die ÖVP (bisher 8) und die SPÖ (bisher 5). Grüne (bisher 3) und Neos (bisher 1) sind mit jeweils zwei Abgeordneten vertreten. In der abgelaufenen Periode gab es mit Othmar Karas (ÖVP) und Evelyn Regner (SPÖ) zwei österreichische Vizepräsidenten; diesmal ist laut Parlamentsangaben keine heimische Kandidatin oder Kandidat für den Posten im Rennen.